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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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verlieben.« Pip warf ihrer Mutter einen eindringlichen Blick zu, worauf diese sich auf die Lippe biss und nickte.
    »Pip hat recht«, murmelte Judy. »Wir sollten ihn erst mal etwas besser kennenlernen ... obwohl ...« Sie neigte den Kopf zur Seite und sah ihm dabei zu, wie er Anlauf nahm zu einem sanften Wurf. »Ein leckeres Kerlchen ist er, das sieht ja wohl jedes Kind.«
    »Unbedingt.« Susan nickte zustimmend, bevor auch sie den Kopf zur Seite neigte und seine Bewegungen beobachtete.
    »Er ist sehr ... sehr ...« Judy hielt inne und benetzte sich die Lippen, während sie versuchte, ein passendes Wort zu finden. »Durchtrainiert, nein ... eher ... wohlgeformt, ja, genau. Als hätte Michelangelo seine Finger im Spiel gehabt ...«, sinnierte Judy, als er sich nach dem Wurf zu ihnen umdrehte.
    »Woran denkst du?«, wollte Susan wissen.
    »An Die verdammte Seele ?«, witzelte Pip.
    »So ein Quatsch! Er sieht aus wie David!«, echauffierte Judy sich. »Also, echt, Pip, die verdammte Seele, sieh dir den Mann doch an!«
    »Ich finde, er sieht besser aus als der David«, sagte Susan. »Ich finde ihn eigentlich eher präraffaelitisch ... So in Richtung Millais oder John William Waterhouse ... ja.« Susan warf einen weiteren Blick auf ihn. »Absolut. Ein Waterhouse ...«
    Pip fand, dass ihre gesamte Familie viel zu wenig kritisch war. Im Prinzip war diese naive Aufgeschlossenheit natürlich eine positive Eigenschaft, machte sie aber auch grenzenlos verletzlich. Ihr mitmenschliches Wohlwollen bezog sich übrigens nicht nur auf attraktive Männer, sondern auf Menschen jeglicher Couleur – dick, dünn, alt, jung, männlich, weiblich, schön, grottenhässlich. Frei nach dem Motto: Wer mich mag, kann doch kein schlechter Mensch sein.
    Wobei gut aussehende Männer entschieden im Vorteil waren.
    Und Balthazar sah gut aus. Pip war schon klar, warum die anderen alle so vernarrt in ihn waren, aber wenn Pip ihn sich genauer betrachtete, verglich sie ihn ständig mit Dan. Ungewöhnliche, bernsteinfarbene Augen hier, lebhaft-grüne da. Volle Lippen hier, ein Mund, der schon viel mit ihr gelacht und sie angelächelt hatte da. Etwas zu lange, strubbelige Haare hier, akkurate, dunkle Kurzhaarfrisur da. Dans Haare waren im Nacken so kurz geschoren, dass Pip am liebsten von unten nach oben darüber gestrichen hätte. Weiter oben waren sie etwas länger. Wenn er den Kopf zur Seite neigte und sie anlächelte, fiel ihm schon mal eine Strähne vor die grünen Augen mit den unglaublich langen, dunklen Wimpern.
    Schlagartig vermisste sie ihn. Schlagartig wollte sie Dan wiedersehen. Und ermahnte sich sofort selbst, nicht albern zu sein.
    Er hatte das nicht verdient. Ganz bestimmt nicht.
    Balthazar, der nach Susans Eintreten in das Spiel nicht mehr warf, sondern schlug, verfehlte einen von Gypsys Würfen und gesellte sich zu Pip auf die Wolldecke. Er sah ihrem hübschen Gesicht an, dass sie irgendetwas plagte.
    »Mein Essen hat dir nicht geschmeckt, stimmt’s?«
    »Ach was, so ein Blödsinn!«, schrak Pip aus ihren Gedanken auf.
    »Warum schaust du dann so traurig?«
    Er hatte sie beobachtet? Das war ihm aufgefallen?
    Sie biss sich auf die Lippe und suchte nach einer Notlüge. Sie wollte ihm nicht die Wahrheit sagen, wollte nicht wie ein Idiot dastehen, weil sie sich nach einem Mann verzehrte, den sie kaum kannte, einem Mann, der gar nicht mehr zu haben war.
    »Findest du?«
    Er nickte.
    »Du denkst an einen Mann, stimmt’s?«
    Stand ihr das etwa in großen Lettern ins Gesicht geschrieben?
    »Kann sein ...«, wich sie aus. Aber lügen konnte sie eben doch nicht.
    »Jemand hat dir wehgetan?«, fragte er, und zur Antwort bedachte sie ihn mit dem gleichen Blick wie Gypsy, als er sie unter dem Strauch gefunden und gefragt hatte, warum sie sich dort versteckte.
    Plötzlich tauchte eine sichtlich vollgefressene Persi neben ihnen auf und ließ sich ohne Umschweife auf seinen Schoß plumpsen.
    Balthazar konnte sich ein gedämpftes »Ufff« nicht verkneifen, beklagte sich aber nicht, sondern begann, dem Hund über den seidenweichen Kopf zu streicheln.
    Er spürte, dass Pip das Thema nicht vertiefen wollte und erkundigte sich stattdessen nach diesem gutmütigen Vierbeiner, der aus unergründlichen schwarzen Augen deutlich vertrauensvoller als sein Frauchen zu ihm aufsah.
    »Wie heißt sie?«
    »Persicoria ...«, antwortete Pip widerstrebend.
    Er lächelte.
    »Was für ein schöner Name ... Hallo, Persicoria ...«, flüsterte er und strich

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