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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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sozial in Gallant und machte auf diese Weise gerne mal Reklame für irgendwelche Veranstaltungen.
    Das knallbunte Poster kündigte die Herbstmesse an, eines der größten gesellschaftlichen Ereignisse in Gallant, bei dem sich die Dorfbewohner unter dem Deckmantel unschuldiger Erntedankwettbewerbe mal so richtig befehden konnten.
    Wer hatte das größte Gemüse? Wer die schönsten Blumen? Wer das beste Brot? Wer den raffiniertesten Kuchen? Wer die schmackhafteste Marmelade?
    Es war der Krieg der Kunsthandwerker. Kerzen, Käse, Kürbisse. Keramik, Konfekt, Kirschwasser. Alles, was man selber anbauen oder herstellen konnte, wurde zur Herbstmesse wie buntes Geschütz aufgefahren, um das jährliche Gefecht um Geschenkartikel auszutragen.
    Und ganz unten auf dem Plakat stand, was Pip in diesem Moment am allermeisten interessierte: der alljährliche Brau- und Kelterwettbewerb. Der erste Preis waren fünftausend Pfund und ein Vertrag mit dem Hauptsponsor, der örtlichen St.-Wastrell-Brauerei, die dem Sieger dabei helfen würde, sein preisgekröntes Produkt zu entwickeln und über ihr Vertriebsnetz zu vermarkten.
    Susan war gerade auf dem Weg zum Haupthaus. Sie schlingerte ein wenig und sang in ihrem angenehmen Tenor eine Rigoletto-Arie. Pip achtete in der Aufregung nicht auf den Weg und stieß mit ihr zusammen.
    Susan stöhnte leise auf. »Pip! War das ein schöner Abend! Du hast den Nachtisch verpasst ... Balthazar ...« – die erste Silbe seines Namens rülpste sie – »ups, tschuldigung ... Balthazar hat diese großartigen spanischen, Donut-artigen Dinger gemacht, na, wie heißen die doch gleich ... Nonnenschnäuzer ... nein, nein, falsch, so ein Quatsch ... Nonnen seufzer , so heißen die ... Also, da hast du wirklich was verpasst, ich wollte dir ja einen aufheben, aber die waren einfach so hammerlecker, dass wir alle ratzeputz aufgefuttert haben ... Wieso bist du denn auf einmal weggerannt? Und wo rennst du jetzt schon wieder hin?«
    »Zur Scheune, zu Dads Scheune.«
    »Und wieso?«
    »Weil ich eine Idee habe.«
    »Und was für eine?«
    Pip grinste ihre Tante breit an.
    »Eine, die genug Geld bringt, um Gypsy auf Manor Grange anmelden zu können.«
    »Das ist definitiv eine Idee, die mir gefällt«, strahlte Susan.
    »Wir werden uns für den Kelterwettbewerb auf der Herbstmesse anmelden.«
    Susan wollte gerade protestieren, als Pip sie auch schon bei der Hand nahm und sie an den schwer behangenen Obstbäumen vorbei und um das Haus herum zur Scheune führte.
    Die Apfelpresse stand immer noch da.
    Sie war mit einer Plane abgedeckt, auf der sich der Staub von mehreren Jahren niedergelassen hatte. Als Pip sie wegzog, musste sie von dem aufgewirbelten Dreck erst einmal husten. Doch da stand sie, genau wie damals: die große archimedische Wasserschraube in der Mitte, das riesige alte Fass darunter. Gleich dahinter befand sich die etwas modernere Apfelmühle.
    »Guck, wir haben alles, was wir brauchen. An den Bäumen hängen so viele Äpfel, dass sie fast unter ihrer Last zusammenbrechen. In den Weinkellern lagern massenweise leere Flaschen. Pops und Dad haben früher himmlischen Apfel-Schaumwein gemacht ... Und ich bin mir sicher, dass wir das auch können. Und die Herbstmesse wäre die Gelegenheit, Arandores Rückkehr in die Weinwelt einzuläuten.«
    Susan stieß einen tiefen Seufzer aus. Wie gerne wollte sie vor Freude hüpfen und in die Hände klatschen! Nur leider hatte Pip da eine Kleinigkeit übersehen.
    »Die Herbstmesse findet aber schon in zwei Wochen statt, Pip. Und du kannst dich doch bestimmt noch erinnern, wie dein Vater den Cider hergestellt hat, oder?«
    Tatsächlich sah Pip ihren Vater förmlich noch vor sich, wie er ihr den Herstellungsprozess erklärte.
    Äpfel ernten.
    Waschen.
    Zerkleinern.
    Pressen.
    Saft in Flaschen abfüllen.
    Hefe und Zucker zugeben.
    Kopfüber lagern, hin und wieder drehen, bis die Schwebstoffe sich im Flaschenhals abgesetzt haben.
    Einfrieren und Sedimente entfernen.
    Noch mehr Hefe und Zucker zugeben.
    Verkorken, den Korken mit Draht sichern und mit Metallfolie umwickeln.
    Oder so ähnlich ...
    Und dann erinnerte sie sich an einen weiteren Teil des Herstellungsprozesses. An einen der wichtigsten: Man musste den Wein fermentieren, die Hefe und den Zucker gären lassen, bis Kohlensäurebläschen entstehen.
    »Die Gärung!«, rief sie.
    »Man kann den Wein schon nach zwei Monaten trinken, aber dein Vater hat ihn immer ein Jahr lang gären lassen«, bestätigte Susan.

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