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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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für dich behalten?«
    Flora dachte einen Moment nach und nickte dann.
    »Ich danke dir!«, rief Viola erleichtert und belohnte ihre Schwester mit der ersten Umarmung seit Jahren.
    Pip lag immer noch auf dem Stapel leerer Säcke in der Scheune, murmelte irgendetwas im Schlaf und drehte sich um.
    Sie träumte wieder einmal den immer gleichen Traum: Sie stand im Hofbräuhaus und wartete auf Beau. Leider war es kein schöner Traum, weil Beau nämlich nie kam. Ganz allein stand sie da, während die anderen Gäste um sie herum lachten und tranken. Und sie wartete. Und wartete. Und wartete ... Da erklang eine Stimme direkt hinter ihr.
    »Hey, Persicoria ... Persicoria ...«
    Sie machte die Augen auf und sah in Beaus Gesicht, das sich lächelnd über sie beugte.
    »Ich glaube, du solltest besser ins Bett gehen. Du bist ja todmüde.«
    Sie streckte die Hand aus und berührte ganz sacht seine Wange.
    »Gut, ich gehe ins Bett. Aber nur, wenn du mitkommst«, murmelte sie.
    Natürlich war es Pip unendlich peinlich, Beau in ihr Bett eingeladen zu haben, als ihr schlaftrunken klar wurde, dass es sich bei ihm nicht um ihre verlorene Jugendliebe handelte, sondern um ihren sehr realen Cidertraumretter und Mieter aus Spanien.
    Am liebsten hätte sie sich gleich wieder schlafend gestellt, doch ihr Schamgefühl trieb ihr jede Menge Blut in die Wangen, bis sie ungefähr so rot war wie die Lord-of-the-Isles-Äpfel, die sie durch die Mühle und die Presse gejagt hatten.
    Pip rappelte sich auf und entschuldigte sich wortreich.
    »Kein Problem ...« Milde lächelte er sie an. »Du hast so hart gearbeitet. Zu hart ... Wir sind beide müde. Ich glaube, es ist besser, wenn wir jeweils in unser eigenes Bett gehen. Morgen ist ein neuer Tag.«
    Sie nickte, sie wünschten sich gute Nacht. Doch als Pip fast schlafwandlerisch ihr Bett erreichte, kehrte Balthazar, der ihr noch lange nachgesehen hatte, in die Scheune zurück und arbeitete weiter. Erst, als die Sonne über den Horizont kroch, beschloss er, nun doch noch ein paar Stunden zu schlafen.

– 29 –
    Balthazar war immer schon in der Scheune, wenn Pip morgens dort auftauchte. Ganz gleich, um wie viel Uhr sie aufkreuzte, er hatte immer schon ein paar Stunden gearbeitet. Langsam fragte sie sich, ob er womöglich in der Scheune übernachtete und ob sie ihm die Miete für das Cottage zurückgeben sollte, gewissermaßen als Lohn für die viele harte Arbeit. Doch immer, wenn sie ihm danken wollte, ihn dazu aufforderte, Pause zu machen, oder ihm versicherte, dass sie nicht im Geringsten von ihm erwartete, sich für sie krumm und buckelig zu schuften, zuckte er nur die Achseln, als wisse er gar nicht, wovon sie redete.
    Wenn er tatsächlich geschäftlich in Cornwall war, dann vernachlässigte er seine eigene Arbeit sträflich. Natürlich hatte Pip irgendwie ein schlechtes Gewissen, aber sie hatte weder Zeit noch Lust, darauf zu bestehen, dass er sich um seine eigenen Dinge kümmerte, denn schließlich wusste sie genau, dass sie ohne seine Hilfe komplett aufgeschmissen wäre.
    Vier weitere Tage zerkleinerten, pressten und filterten sie und füllten schließlich den Apfelmost in die alten Eichenfässer, die bereits ihr Vater, ihr Großvater und ihr Urgroßvater zur Herstellung von Cider verwendet hatten.
    Sieben Tage lang würde der Most in den Fässern fermentieren, dann würden sie ihn unter Zugabe von etwas Zucker und Hefe in Flaschen abfüllen – denn nur so wurde aus dem gewöhnlichen Fass-Cider der köstliche, flaschengegärte Schaumwein.
    Zu ihren besten Zeiten hatte die Plantage dreitausend Flaschen preisgekrönten Apfel-Schaumweins pro Jahr hervorgebracht. Pip hoffte in diesem Jahr auf bescheidene dreihundert.
    Pips Plan war, Arandore so schnell wie möglich wieder in ein funktionierendes Familienunternehmen zu verwandeln – und dazu brauchten sie ein Großunternehmen wie St. Wastrell. Wenn sie das geschafft hatten (und Pip hatte leicht besorgt festgestellt, dass der Rest der Familie diesbezüglich absolut siegessicher war), sah ihr Plan vor, die Produktion wieder auf dreitausend Flaschen im Jahr zu steigern ... Und wenn auch das glückte – tja, vielleicht würden sie dann sogar in neue Rebstöcke investieren ...
    Aber fürs Erste waren dreihundert Flaschen schon ein ehrgeiziges Ziel.
    Die Zeit drängte.
    Der Wettbewerb umfasste auch eine Ortsbesichtigung durch die St.-Wastrell-Fuzzis. Am Vorabend der Herbstmesse würden sie in Scharen aufkreuzen und sich das »Firmengelände«

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