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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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knetete und dabei mit den Ellbogen herumwerkelte, dass das Mehl nur so stäubte und aus der Schüssel aufstieg wie Rauch aus dem Schornstein eines Seifensieders. Ich erzählte ihm, wie ich manchmal aus Teigresten Mäuse oder Schmetterlinge formte, um ihr eine Freude zu bereiten. Einmal hatte ich eine Spinne mit acht dicken Beinen geknetet und sie ihr auf den Teller gelegt. Sie fing an zu kreischen. Mary hatte entsetzliche Angst vor Spinnen. Aber sie tötete nie welche. Sie hätte eine schlechte Metzgerstochter abgegeben. Der Anblick einer toten Kreatur rührte sie zu Tränen. Ich erzählte ihm, dass sie sich wie ein Dachs in unser Bett hineinwühlte und ich beim Aufwachen oft ihre Zehen an meiner Wange, ihren schweren Kopf an meinem Schienbein und ihre Finger im Saum meines Nachthemds hatte.
    Hinter mir hustete der Apotheker. Ich hielt abrupt inne. Eingesponnen in meine Erinnerungen, waren mir die Worte leicht über die Lippen gekommen. Im selben Moment spürte ich das kalte Kribbeln der Reue im Bauch.
    »Wenn Sie es gut mit ihr meinen, Sir«, stieß ich hastig hervor, »dann sollten Sie ihr gestatten, wieder in der Dachkammer zu schlafen … sie fürchtet sich so vor der Dunkelheit, wissen Sie, und die Küche …«
    Der Federkiel, der rastlos über die Seite gekratzt hatte, fiel dem Apotheker unversehens aus der Hand. Laut stöhnend legte er den Kopf auf den Tisch.
    »Sir?«
    »Warum lässt du mich nicht allein? Ich möchte schlafen. Einfach nur schlafen.«
    »Geht es Ihnen nicht gut, Sir?«
    Ich schob geräuschvoll meinen Stuhl zurück. Mr Blacks Augenlider zuckten, seine Hände griffen in die Luft, als haschten sie nach einem Gegenstand. Weißer Schaum trat ihm vor den Mund.
    »Wo ist der Junge?«, murmelte er. »Er ist eine solche Wohltat, der Junge, immer eine … oh, dieser Schmerz in der Hand, es ist eine Qual. Schreiben Sie für mich, Madam, so wie früher. In Ihrer schönen, sauberen Handschrift.«
    »Mrs Black ist nicht hier, Sir«, stotterte ich. »Ich bin es nur, Eliza.«
    Mr Black riss den Kopf hoch. Die Armlehnen seines Stuhls umklammernd, irrten seine Augen durchs Zimmer, als suchte er etwas oder jemanden. Ich stolperte mit steifen Beinen zur Tür.
    »Mrs Black! Ich werde die Herrin holen, Sir, sie wird gleich da sein …«
    »Ihr verbergt euch, ihr seid gerissen, sehr gerissen, aber ich sehe euch. Glaubt nur nicht, dass ich euch nicht sehe!«
    Er griff nach seinem Tintenfass und schleuderte es knapp an meinem Kopf vorbei. Mit einem dumpfen Knall traf es auf die Wand, dunkle Tinte spritzte in hohem Bogen auf die Vertäfelung. Ich tastete nach dem Türknauf, während der Apotheker herumwirbelte. Seine Augen waren Löcher in seinem Schädel, schwarz und rot zugleich. Ich riss die Tür auf, stolperte die Treppe hinunter und rief nach meiner Herrin, nach Edgar, nach irgendjemandem.
    Die Tür zum Laden ging auf, und Edgar streckte den Kopf heraus, ein Fläschchen in der Hand.
    »Führ dich nicht so hysterisch auf, verdammt noch mal«, zischte er. »Wir haben Kundschaft.«
    »Aber der Herr«, schluchzte ich. »Dieser Dreckskerl, er … ich glaube, er will mich umbringen.«
    Edgar schnaubte und rollte die Augen.
    »… wie ungeschickt von mir.« Mrs Black trat rückwärts in den Flur, ein Schächtelchen in der Hand. »Erlauben Sie mir, Ihnen neue Pillen zu holen.« Sie schloss die Tür, und das geschäftsmäßige Lächeln erstarb auf ihren Lippen. »Was zum Teufel geht hier vor?«
    »Der Herr«, maulte Edgar. »Er hat schon wieder einen Anfall.«
    »Dann geh rauf zu ihm, Edgar«, befahl sie barsch. »Und zwar sofort, ich flehe dich an! Mr Jewkes wird bald hier sein. Bis dahin muss Mr Black wiederhergestellt sein.«
    »Er hat nach Ihnen verlangt, Madam«, flüsterte ich.
    »Ach, tatsächlich?«, gab sie zurück und nahm ein Glas aus dem Regal. Die Pillen kullerten über den Rand und verstreuten sich über den Tisch. »Glaubst du, das Essen kommt durch Zauberhand auf den Tisch? Wer soll den Laden führen, wenn nicht ich?«
    Sie nahm zwei Pillen und legte sie in das Schächtelchen, die restlichen ließ sie liegen und ging zurück in den Laden. Ich lehnte mich kraftlos an den Türpfosten. Mir war unbegreiflich, warum ich es bis dahin nicht bemerkt hatte.
    Mrs Black hatte noch größere Angst vor ihrem Mann als ich.

An Mrs Grayson Black im Haus zum Einhorn in der Swan Street
     
    Liebe Madam,
     
    ich habe Ihren Brief mit der heutigen Morgenpost erhalten & nehme Ihre liebenswürdige Entschuldigung

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