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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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dass ich sie weiterhin frisierte.
    Dann, eines Abends, ganz ohne Vorwarnung, nahm sie plötzlich den Spiegel in beide Hände und ließ ihn mit voller Wucht auf den Küchentisch fallen. Glücklicherweise zersprang er nicht. Schnell legte ich den Spiegel auf das Bord über der Anrichte, wo er für sie unerreichbar war. Erst jetzt merkte ich, dass sie heftig an ihren Haaren zog und sich die Lockenwickler herausriss, sodass die Nadeln durchs Zimmer flogen.
    »Mary, hör auf!«, rief ich voll Sorge, dass sie sich wehtun könnte, aber auch wütend darüber, dass sie mein kunstvolles Werk zerstörte. »Um Himmels willen, du wirst dich verletzen …«
    Ich versuchte, ihre Hände festzuhalten, aber sie war stärker als ich. Mit versteinertem Blick sah sie mich an, während ihr eine lose Haarsträhne ins Gesicht fiel und ihr Mund lautlos auf und zu klappte. Dann schob sie sich an mir vorbei und stürmte aus der Küche. Ich rief ihr nach, meinetwegen könne sie sich den Kopf kahl scheren, denn ich würde ihr nie wieder Locken machen.
    Sie hatte sich wohl im Kohlenkeller versteckt, denn als sie wiederkam, war ihr Kleid ganz schwarz. Sie nahm meine Hände und drückte sie an ihre Wangen, und da sah ich, dass ihre abgekauten Fingernägel schwarze Ränder hatten. Ich stellte mir vor, wie sie dort unten in der eiskalten Dunkelheit gesessen hatte, die Augen schreckgeweitet, und dieses Bild ließ mich nicht mehr los und quälte mich. Mary hatte vor dem Kohlenkeller eine Heidenangst.
    Sie ließ sich von mir nicht trösten. Ich versuchte es mit Küssen, mit Drohungen, oft mit beidem gleichzeitig, aber es half nichts. Sie zuckte vor meiner Berührung zurück. Es schien, als wäre alle Wärme, alles Weiche von ihr gewichen, sodass unter der kalten Hülle ihres Körpers nur ein leerer, hungriger Schlund klaffte. Sie aß und aß, sie stopfte sich voll mit Unmengen Brot, ohne jemals satt zu werden. Wenn sie mich ansah, erkannte ich in ihren Augen eine schwarze, unergründliche Tiefe.

An Grayson Black, Apotheke zum Einhorn in der Swan Street
     
    Sehr geehrter Mr Black,
     
    vermutlich wird es Sie kaum überraschen, diesen Brief zu erhalten. In den letzten Monaten habe ich aus meiner Unzufriedenheit mit Inhalt & Ausführung Ihrer Arbeit keinen Hehl gemacht. Bei den wiederholten Gelegenheiten, da ich versuchte, Ihnen meine Bedenken darzulegen, habe ich den deutlichen Eindruck gewonnen, dass Sie meine Nachfragen nur als lästige Einmischung in Ihre Angelegenheiten betrachten.
    All dies wäre für mich vollkommen unerheblich, wenn ich sicher sein könnte, dass Sie tatsächlich an der Abhandlung arbeiteten, die unser beider Namen bekannt machen soll, wie Sie mir bei unserer Begegnung vor zwei Jahren versicherten. Ich weiß sehr wohl, wie sehr Sie auf mich angewiesen sind, & ich war stets froh, Ihnen die finanziellen Mittel bereitstellen & die wissenschaftliche Ausführung Ihnen überlassen zu können. Doch Ihre Heimlichtuerei & Ihre hartnäckige Weigerung, den Fortgang Ihrer Arbeit mit mir zu besprechen, die unserer Partnerschaft von Anfang an im Wege standen, sind in letzter Zeit unerträglich geworden. Ich habe keine Ahnung, ob Sie Objekte für Ihre Untersuchungen haben & wenn nicht, wie Sie Ihre Thesen zu belegen gedenken. Das Mädchen gibt mir zu verstehen, dass Sie kaum außer Haus gehen. Ich erfahre rein gar nichts von Ihnen.
    Bisher habe ich dieses Schweigen auf das Konto Ihres schlechten Benehmens verbucht. Damit ist jetzt Schluss. Die Zeit & die beträchtlichen Kosten haben mir die Augen geöffnet. Sie schweigen, & das aus einem ganz einfachen Grund: weil es nichts zu sagen gibt. Sie können mir nicht länger vorgaukeln, dass ein erfolgreiches Ende Ihrer Arbeit unmittelbar bevorsteht oder dass überhaupt noch damit zu rechnen ist. Ich lege ein wenig Geld bei, zur Abgeltung unserer Vereinbarungen.
    Selbstverständlich werde ich das Mädchen auch weiterhin unterstützen. Ihr schlechter Gesundheitszustand allerdings beunruhigt mich, & ich wünsche, dass ihrer unverzüglichen Genesung nichts im Wege steht. Indes vertraue ich darauf, dass Sie Gentleman genug sind, um sich durch die Missstimmigkeiten zwischen uns in Ihrem Verhalten dem Mädchen gegenüber in keiner Weise beeinflussen zu lassen. Schließlich trägt sie daran keine Schuld.
    Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen &c
     
    MAURICE JEWKES
    2 . Februar 1720

XXIV
    A ls sie mir sagte, der Herr wünsche mich zu sprechen, war ihre Stimme kaum vernehmbar. Ich stellte den Kohleneimer

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