Der Apotheker: Roman (German Edition)
das Gesicht. »Das ist aber eine gute Nachricht.«
»Ach ja? Für mich war es wie ein Schock.« Er ließ sich auf seinen Stuhl sinken und kippte ihn nach hinten. »Ich hatte mich allmählich an ihre Art gewöhnt.«
»Ist sie schon fort?«
»Sie wird eine Weile bei ihrer Tante wohnen, bis ihr zukünftiger Gatte genügend Geld beiseitegelegt hat. Ich habe angeboten, ihnen zu helfen, aber sie will natürlich nichts davon wissen. Mein schmutziges Geld möchte sie nicht.«
»Aber das ist doch …«
»Es ist natürlich nichts Ungewöhnliches«, fuhr Honfleur bitter fort. »Eine Tochter sollte die Institution der Ehe dazu nutzen, gesellschaftlich voranzukommen. Die Sache ist nur, dass Annette nicht die Dame des Hauses, sondern die
principessa
hehrer Grundsätze werden will. Am Ende läuft es auf dasselbe hinaus. So oder so, sie meinen, sie könnten auf einen herunterschauen.«
Ich trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Sie ist eine respektvolle Tochter«, sagte ich. »Es wird sich bestimmt alles wieder einrenken.«
Der Buchhändler stieß ein freudloses Lachen aus. »Wie schlecht Sie sie kennen«, sagte er.
Da schwiegen wir beide. An der Wand tickte die Uhr.
»Sag uns doch, was für ein Teufel diese Schwermut ist, die einen Menschen zum Ungeheuer macht«,
murmelte Honfleur mit einem Seufzer. Er führte Daumen und Zeigefinger an die Augen und zwickte sich in die Nasenwurzel. Dann hob er den Kopf. »Und Sie? Ihnen geht es hoffentlich gut? Ihr letzter Besuch liegt schon eine Weile zurück, wenn ich nicht irre.«
»Ja. Ich … ich bin gespannt auf Neuigkeiten über das Fiebermittel. Wissen Sie, ich brauche dringend … ich möchte wissen, wie es sich verkauft hat. Wie’s mit dem Gewinn steht.«
Honfleur zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht genau. Der Absatz nimmt jedenfalls von Tag zu Tag zu, ungeachtet dessen, was in Paris geschieht. Dort wischt man sich inzwischen mit Banknoten den Hintern ab. Aber das kümmert uns nicht. In London spekuliert heute jeder Mann an der Börse. Und die meisten Frauenzimmer auch.«
»Bis auf Annette«, sagte ich, um einen Scherz zu machen.
Honfleur verzog den Mund. »Bis auf Annette. Und ihren Tugendbolzen von Ehemann.«
»Dann läuft unser gemeinsames Geschäft also gut?«, fragte ich aufgeregt. »Und die Gewinne steigen?«
Der Buchhändler antwortete nicht, doch auf seinem Gesicht erstrahlte ein Lächeln. »Aber natürlich!«, rief er und schlug sich mit der Hand an die Stirn, während sein Stuhl nach vorn kippte. »Natürlich! Ich begreife gar nicht, warum ich nicht schon früher darauf gekommen bin!«
»Wie bitte?«
Er streckte die Arme aus, die Handflächen nach oben. »Wir werden heiraten!«, verkündete er. »Ich werde Sie zu meiner Frau nehmen. Eine solche Regelung würde uns beiden nützen. Wir werden heiraten und von den Einnahmen aus dem Fiebermittel in Saus und Braus leben!«
»Heiraten?«, wiederholte ich ungläubig.
»Ja, heiraten«, sagte Honfleur fast ein wenig ungehalten. »Das ist doch das richtige Wort, oder?«
»Ihr Englisch ist tadellos«, stammelte ich.
»Dann sind wir uns also einig«, fuhr er fort. »Wir werden heiraten. Je früher, desto besser.«
Ich starrte ihn an, als er aufsprang, und machte ein dümmliches Gesicht. »Aber …«
»Aber? Eliza, ich frage mich, ob Sie Ihr Glück zu schätzen wissen. ›Ja‹ hielte ich für eine bessere Antwort.«
Sein unbeschwerter Ton nahm dem Vorwurf zwar die Schärfe, aber ich war immer noch unfähig zu antworten. Mein Herz raste, mein Mund klappte in stummer Fassungslosigkeit auf und zu. Monsieur Honfleur wollte mich heiraten. Das war die Lösung, die Lösung für alles. Ich würde frei sein und Mary auch. Ich würde sie als Dienstmädchen mitnehmen. Wir würden die Swan Street für immer verlassen und nie mehr zurückkehren müssen. Wir würden hier gemeinsam und in Sicherheit leben. Dieses Glück war schier unfasslich. Tränen füllten meine Augen, als ich den Buchhändler ansah und ihm in stummer Dankbarkeit die Hände entgegenstreckte.
»Aber … aber Sie zittern ja, meine Liebe.«
Ich nickte hilflos, Tränen strömten mir über die Wangen.
»Sie sind ja regelrecht überwältigt. Dann frage ich Sie also noch einmal: Wollen Sie meine Frau werden?«
Ich öffnete den Mund, aber meine Zunge war wie gelähmt, und meine Lippen bebten so sehr, dass ich kein Wort herausbrachte.
»Immer noch keine Antwort? Vorsicht, der Heiratsmarkt ist wie der Aktienmarkt. Die Chancen für unvermögende
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