Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
Vom Netzwerk:
Frau. Wenn ich seinen Ring an meinem Finger drehte, waren all meine Zweifel wie weggewischt. Ich hatte nicht nur den Ring als Beweis, sondern auch seine Tochter könnte, wenn auch unwillig, seine erklärte Absicht bezeugen. Galt ein solches Versprechen vor dem Gesetz etwa nicht als bindend? Es wäre für den Hugenotten nicht einfach, sein Wort zu brechen.
    Um mir Mut zu machen, malte ich mir das Leben im Haus des Hugenotten aus. Ich würde den Kamin anschüren und mich auf den Platz hinter der Ladentheke setzen, den Annette so gern eingenommen hatte. Mary würde ich den Stuhl geben, auf dem ich immer gesessen hatte. Sie hätte ein Volksbuch in der Hand, das sie aufgeschlagen im Schoß hielt, sodass ich nur die Wölbung ihrer Stirn und die Rundungen ihrer Knie sehen konnte. Den Gedanken an das, was bis dahin noch alles geschehen würde, wischte ich beiseite. Vorerst genügte es, sie mir als ruhig und zufrieden vorzustellen. Es würde eine Weile dauern, ehe sie zu einem anderen Herrn Vertrauen fasste, aber am Ende würde sie Mr Honfleur lieben, weil er freundlich zu ihr war. Vielleicht brachte er ihr das Lesen bei, wenn sie wollte. Sie würde lernen, ohne dass sie selbst Studienobjekt war, ohne dass man sich über sie den Kopf zerbrach. Sie würde Mr Honfleur Kaffee kochen, wie er ihn gern hatte und den er aus seinen kleinen Tässchen schlürfte. Er würde sie durch die Brille auf seiner Nasenspitze anschauen und sie anlächeln, denn er wäre in der Lage, hinter die äußere Gestalt zu blicken, die lediglich Zeugnis gab von der verunstaltenden Tyrannei der Wissenschaft, und ihren Geist zu erkennen, der aus ihrem Innern hervorleuchtete. Wenn ich in dieser Weise an den Buchhändler dachte, empfand ich eine zärtliche Dankbarkeit für ihn, die von Liebe fast nicht zu unterscheiden war.
    Ich musste meinen Finger mit Spucke befeuchten, damit ich den Ring abbekam. Mein Knöchel war ganz rot und pochte, als ich den Ring im Saum meines Ärmels versteckte. Wenn ich den Arm beugte, drückte er mir ins Fleisch. Fünf Wochen. Unwillkürlich hob ich die Augen zu Marys Fenster, bevor ich über den Rinnstein stieg. Das Gesicht, in das ich blickte, war nicht zu verkennen, bleich und ausgezehrt, die versehrte Wange nur ein dunkler Schatten; Lippen, die braune Zähne entblößten – eine Grimasse zwischen Lächeln und Knurren; die klauenartigen Finger ineinander verschränkt, als wollten sie die Luft zwischen sich herauspressen. Dann war das Gesicht wieder verschwunden. Auf der Scheibe blieb ein trüber Fleck, der zusehends verschwand. Langsam wurden die Vorhänge zugezogen.
    »Mary!«, schrie ich, als wollte ich mich durch den immer schmaler werdenden Vorhangspalt drücken. »Mary, hörst du mich?«
    Mrs Dormer, die Frau des Kerzengießers, öffnete hinter mir die Haustür; ihr schwabbeliges Kinn zitterte wie Schweinesülze auf einem spitzenbesetzten Teller.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sie sich. »Ich habe gerade Ihr Mädchen hier gefragt, ob alles in Ordnung ist. Ich hoffe nur, dass dies der Fall ist, Mrs Black.«
    Mrs Black stand in der Ladentür. Mit grimmiger Miene. »Alles wäre bestens«, sagte sie kurz angebunden, »wenn man Dienstboten bekäme, die etwas taugen.«
    Mrs Dormer seufzte und knetete neugierig die Hände.
    »Obwohl Sie, wie man hört, mit Mr Blacks Lehrling mehr als zufrieden sind. Es heißt, Sie wären ohne ihn verloren, stimmt das nicht, Mrs Black?«
    »Eine pflichtbewusste Ehefrau duldet nicht, dass das Geschäft ihres Mannes vernachlässigt wird, Mrs Dormer, während sie selbst sich vergnügt. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen.«
    Sie packte mich am Schlafittchen und schob mich in den Laden.
    »Wie viel Ärger willst du eigentlich noch machen, bis du endlich zufrieden bist?«, sagte sie zornig und griff nach ihrer Birkenrute.
    Ich versuchte, mich ihr zu entwinden, und stieß dabei eine Schale vom Tisch, die zerbrach. Scharlachrote Flüssigkeit ergoss sich über die Dielen.
    »Was tut er ihr an?«, schrie ich. »Dieser Dreckskerl … dieser Dreckskerl bringt sie um!«
    »Wenn du meinen Mann meinst, er schröpft sie, du dummes kleines Flittchen«, sagte Mrs Black grimmig. »Er schröpft sie, wie es überall im Land die Ärzte mit ihren Patienten tun. Damit sie gesund wird. Unsere Nachbarn wären gewiss entsetzt über diesen Skandal. Und jetzt ab in die Küche, sonst bekommst du die Rute zu spüren, so wahr ich hier stehe.«
    Sie schubste mich so heftig, dass ich stolperte und mir

Weitere Kostenlose Bücher