Der Apotheker: Roman (German Edition)
uns alle.«
Ein plötzlicher scharfer Knall wie ein Gewehrschuss, als Edgars Röhrchen in einem funkelnden Splitterregen über der Flamme explodierte.
»Dieser Schweinehund«, flüsterte Edgar und begrub das Gesicht in den Händen. »Wann stirbt dieser pockennarbige Schweinehund denn endlich?«
XXXV
F ür Mary in ihrer dunklen Einsamkeit im oberen Stock rückte der Zeitpunkt der Niederkunft immer näher. In ihr dehnte sich das winzige monströse Geschöpf in seinem flüssigen Gefängnis und wurde zusehends kräftiger. Es verdickte ihr Blut mit den Klumpen seines schwarzen Affenhaars, und sein Tierschädel drückte immer stärker gegen den Muttermund. In zwei Monaten würde es zur Welt kommen. Doch schon in fünf Wochen wäre ich verheiratet. »Halte durch«, flüsterte ich, als ich an ihrer Tür vorbeiging. »Halte durch. Ich werde dich nicht im Stich lassen.«
Meine Torheit war nicht so groß, dass ich Edgar vertraute. Als aber eine Woche verstrichen und er immer noch nicht beim Hugenotten gewesen war, atmete ich ein wenig freier. Und obwohl die Tage mit quälender Langsamkeit vergingen, nahmen die Hochzeitsvorbereitungen allmählich konkretere Züge an. Ein Brautkleid wurde ausgewählt und in den Laden gebracht, damit ich es anprobierte. Der Rock war aus scharlachroter Seide, der Unterrock cremefarben, und das blassgoldene Oberteil wurde mit scharlachroten Bändern über das Korsett gebunden. Als der Buchhändler sagte, er habe ein Pfund und acht Shilling dafür bezahlt, verschlug es mir den Atem. Diese Genügsamkeit stehe mir gut zu Gesicht, meinte der Buchhändler anerkennend, aber es lag Bedauern in seiner Miene, als er den Rock glatt strich, bevor ich das Kleid in den Schrank hängte.
»Ein töricht Spiel, bei dem keiner gewinnt«,
murmelte er, als ich den Vorhang vor den Kleiderschrank zog. »Obwohl ein vernünftiger Mensch nicht viel auf die Ansichten von Mr Thomas Fuller geben kann. Schließlich war er es, der behauptet hat, die Gelehrsamkeit habe vor allem
durch diejenigen Bücher gewonnen, die nicht gedruckt wurden.
Er hätte besser daran getan, darauf hinzuweisen, dass reißerische Possen uns alle lächerlich machen.«
Gedankenverloren hielt er inne. Dann lächelte er und tätschelte mir die Hand.
»Nun, wir wollen uns von einem senilen alten Mann nicht entmutigen lassen. Ihre Bücher liegen bereit. Vielleicht etwas von Webster, um unseren Geist zu schärfen?
Dass jedermann vor allem diesen Grundsatz preise. Glücklich zu sein ist gut, doch besser weise.
Und so weiter. Sie werden vermutlich vieles finden, dem Sie beipflichten können. Also, was haben Sie für mich auswendig gelernt?«
Ich richtete mich kerzengerade auf und strich mir über den Hals.
»Das verhält sich dann genauso wie mit dem Vogelkäfig in einem Sommerlusthaus. Die Vögel, die draußen sind, möchten verzweifelt gern hinters Gitter gelangen, die drin sind, werden krank vor Angst, dass sie nie wieder hinausgelangen.«
»Wie schnell sie lernt.« Annette stand in der Tür, mit ernster Miene, die Hände vor sich verschränkt. Ihre Stimme klang beinah sanft, aber sie wirkte so angespannt, dass der von der Sonne beschienene Staub im Laden schneller um seine eigene Achse zu wirbeln schien. Sie sah uns einen Augenblick forschend an, wie wir nebeneinander dasaßen, das Buch vor uns auf dem Tisch. Ich erwartete, dass sie noch etwas hinzufügte, aber sie fuhr sich nur mit der Zungenspitze über die Lippen. Dann drehte sie sich mit einem leichten Kopfnicken um und schloss leise die Tür hinter sich. Honfleur atmete aus und ballte die Hand zur Faust.
Ich legte sanft meine Hand auf die seine. »Soll ich Ihnen einen Kaffee holen?«
»Nichts gibt es, was ebenso verdrießlich wäre als eines Menschen eigene Gedanken«,
murmelte der Buchhändler vor sich hin. Dann seufzte er und rang sich ein Lächeln ab. »Liebe Eliza. Wir müssen arbeiten. Aus Ihnen wird noch eine Gelehrte.«
Als ich in die Swan Street einbog und sah, dass die Haustür offen stand, wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Ich lief die Gasse entlang, während mir der Korb gegen die Beine schlug, und schon war ich im Haus. Die Klagelaute kamen in Wellen, so voll Schmerz und Trauer, dass es einem wehtat. Sie durchdrangen die Mauern des schmalen Hauses und schnitten wie Messer in den abbröckelnden Verputz, ließen die Dielenbretter splittern und die Scheiben in den Fensterrahmen leise klirren. Die Qual, die in diesen Schreien lag, grenzte an Wahnsinn.
Endlich war es
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