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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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untermalen.«
    »Meinst du wirklich?«, gab Honfleur eisig zurück. »Meiner Ansicht nach gibt es kaum etwas Groteskeres als religiösen Eifer. Es gibt keinen sichereren Weg, sich die Freude in diesem Leben zu vergällen, als ein Übermaß an frommer Inbrunst.«
    »Und es gibt keinen sichereren Weg zur ewigen Verdammnis im anderen Leben, als sich zum Gönner eines billigen Flittchens aufzuschwingen.
Il connaît l’univers et ne se connaît pas.
«
    »Jetzt hör mir mal zu, du kleine …«
    Aber Annette war nicht mehr da. Im Sonnenlicht tanzte der Staub in aufgeregten Spiralen, und die Ladenglocke erzitterte atemlos vor Schreck.
    »Tut mir leid«, murmelte ich und rieb mir die schmerzenden Arme. »Es …«
    »Nein, nein,
ich
sollte mich entschuldigen.« Mr Honfleurs Stimme klang müde und verzagt. »Ich möchte mich für die unverzeihliche Grobheit meiner Tochter entschuldigen. Der Pfarrer hat nicht vermocht, ihre Boshaftigkeit zu zähmen. Sie ist …«
    Er unterbrach sich und ließ die Schultern hängen. Zaghaft legte ich ihm eine Hand auf den Arm. Er betrachtete sie wie ein Wissenschaftler ein unbekanntes Objekt unter dem Mikroskop. Dann klatschte er in die Hände, wie um sich anzuspornen. Ich zog meine Hand weg.
    »Da Sie schon mal hier sind, müssen Sie etwas lesen«, sagte er. »Schließlich sollten wir ernsthaft zu arbeiten anfangen, wenn Sie bis zur Hochzeit Fortschritte machen wollen. Die Frau eines Buchhändlers darf sich nicht durch Unwissenheit in Verlegenheit bringen lassen. Herrick ist, glaube ich, genau das Richtige. Seine Vorliebe für eine einfache Sprache eignet sich auch für den unerfahrenen Schüler.«
    Er reichte mir ein dickes, in Leder gebundenes Buch. Ich klappte es auf, wohl wissend, dass schon reichlich Zeit vergangen war, aber ich wollte ihn nicht kränken.
    »Wo soll ich anfangen?«
    Der Buchhändler antwortete nicht. Er seufzte nur, stützte sich auf den Ellbogen und presste die Finger in die Augenhöhlen.
    »Soll ich mit dem ersten Gedicht beginnen, Sir?«, machte ich einen neuen Versuch.
    »Ich wag nicht, einen Kuss«,
murmelte er in seine Handflächen,
»noch Lächeln zu erflehn, weil, gäbst du sie, so muss vor Stolz ich fast vergehn.«
    »Vielleicht zeigen Sie mir, wo diese Verse stehen.«
    »Nein, nein, der letzte Duft von meinen Wünschen ist, zu küssen nur die Luft, die eben dich geküsst.«
    Die Worte hingen im Raum und trieben dahin wie Staub, während ich in dem Buch blätterte und hoffte, das Gedicht zu finden. Honfleur seufzte wieder. Dann, ganz langsam, nahm er die Hände vom Gesicht und blinzelte, als wären seine Augen des Lichts entwöhnt. Ich lächelte ihn zaghaft an, unsicher, was ich jetzt tun sollte. Er erwiderte mein Lächeln nicht, sondern nahm mir das Buch aus der Hand und warf es auf den Tisch.
    »Ich habe kein Verlangen nach dem alten Narren. Unterhalten wir uns einfach nur ein wenig.«
    Ich zögerte.
    »Nun«, sagte er fast barsch. »Bald werden Sie meine Frau sein. Sie möchten doch bestimmt einiges wissen?«
    Er beugte sich vor, wie um sich gegen einen Ansturm von Fragen zu wappnen. Mir war klar, dass mein Schweigen ihn nur noch mehr ärgern würde.
    »Gewiss«, sagte ich vorsichtig. »Was macht das Fiebermittel?«
    »Nein, nein! Ich möchte eine liebevolle Frau, keine Börsenspekulantin!«
    Ich biss mir auf die Lippen. »Verzeihen Sie. Dann also, wenn ich bitten dürfte, wüsste ich gern Ihren Namen.«
    »Meinen Namen?«
    »Ihren Vornamen, Sir. Ich kenne Sie nur als Mr Honfleur.«
    Der Hugenotte runzelte die Stirn. »Ich hoffe, Sie hängen nicht dieser neuen Mode an, den Ehemann mit dem Vornamen anzusprechen. Ich bin ein alter Mann, ich weiß, und altmodisch obendrein, aber so etwas passt mir nicht.«
    Ich seufzte, von Überdruss überwältigt. »Nein, Sir, ich werde tun, was Sie wünschen, in allen Belangen.«
    »Aber Sie sind natürlich neugierig«, gestand er mir zu. »Getauft bin ich auf den Namen Étienne. Auf Englisch Stephen. Es ist mein Vatersname. Trotzdem, ich betrachte ihn nicht als meinen eigenen. Meine Mutter mochte ihn nicht und rief mich stets bei meinem zweiten Vornamen. Das ist der Name, der wirklich zu mir gehört.«
    »Und wie lautet dieser Name?«
    »Daniel«, sagte der Buchhändler. »Ich betrachte Daniel als meinen Vornamen.«
     
    Erst als ich in die Swan Street einbog, zog ich den Ring ab. Es tröstete mich, auf ihn zu blicken in der Gewissheit, dass ich weder lächerlich noch verrückt war. Fünf kurze Wochen, dann war ich seine

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