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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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und sich seine stechenden Augen in ungläubigem Staunen zusammenzogen.
    »Mary, liebste Mary, bitte, komm«, flüsterte ich ihr verzweifelt ins Ohr. »Lass uns fortgehen, jetzt, solange es noch möglich ist.«
    Aber Mary grub ihr Gesicht nur noch tiefer in das blutige Bündel und heulte wie ein Tier. Ich umarmte sie, als könnte ich sie mit meinem Körper vor ihrer Qual abschirmen, murmelte tröstliche Worte und drängte sie, mir zu vertrauen und aufzustehen. Aber sie gab sich nur noch mehr ihrem Kummer hin, und ihre Schreie erstickten meine Worte.
    Die Farbe wich aus dem Gesicht des Apothekers, als er über den Tisch neben sich tastete, bis sich seine Finger um einen Becher schlossen, den er an die Lippen zu führen versuchte. Flüssigkeit rann ihm das Kinn hinunter, als er die Hand mit dem Becher sinken ließ und dieser mit einem dumpfen Aufprall zu Boden schlug. Er rang nach Luft. Als er den Kopf hob, erglühte in seinen Augen ein schwarzes Feuer. Er fuhr sich über die kreidebleichen Lippen.
    »Gib es mir«, stieß er, an Mary gewandt, hervor, und mit äußerster Anstrengung, die die Muskelstränge an seinem Hals hervortreten ließen, entwand er das Bündel ihren Armen. Mary wehrte ihn nicht ab, sie stöhnte nur auf und wiegte sich hin und her, die Augen fest zusammengekniffen und sich die Haare raufend. Er murmelte beruhigende Worte, während er das blutige Bündel auspackte.
    »Sieh her, Mary, sieh genau her«, murmelte er. »Die Kreatur ist tot. Weder schläft sie, noch kann sie jemals wieder lebendig werden, und magst du sie noch so innig herzen. Es hilft nichts, dies zu leugnen. Komm, sieh her. Ich will, dass du dich mit eigenen Augen davon überzeugst.«
    Er hielt den winzigen Körper in die Höhe. Ich schnappte nach Luft, Übelkeit würgte mich. Der Anblick war entsetzlich. Der Kopf des Äffchens war fast vollständig vom Rumpf getrennt. Aber was beinah noch schlimmer war: Seine Arme waren unmittelbar über den Ellbogen abgehackt, sodass nur noch zwei Stumpen übrig waren, an denen schwarzes, geronnenes Blut klebte. Sein schmächtiger Rumpf war eine einzige breiige Masse aus Blut, Fleisch und Knochensplittern. Hinter der blassen Wölbung seines linken Ohrs sah ich seine Finger mit den winzigen Nägeln. Das Äffchen hatte noch immer die Arme um seinen Körper geschlungen.
    Marys gellende Schreie erstarben, als sie mit ungeheurer Sanftheit einen Finger ausstreckte, um die blutverschmierte Wange des Tieres zu liebkosen.
    »Ein in höchstem Maße unerfreulicher Zwischenfall«, sagte der Apotheker. Er nahm eine entkorkte Flasche vom Tisch neben dem Bett und leerte sie in einem Zug. Seufzend lehnte er sich sodann in die Kissen zurück. »Mrs Black war so unvorsichtig, das Fenster unverriegelt zu lassen. In London wimmelt es nur so von Dieben. Außerdem haben sie fast das ganze Zinngeschirr mitgenommen.«
    »Diebe? Sie glauben doch nicht etwa, dass ich … was haben Sie getan?« Meine Stimme überschlug sich fast. »Das ist … Sie wissen, dass der Schmerz sie töten wird!«
    »Ich hoffe aufrichtig, dass du unrecht hast. Aber ganz gewiss sind ihre Leidenschaften heftiger als alles, was ich jemals gesehen habe«, sagte der Apotheker nickend. Seine Rechte mit der Linken führend, nahm er die Feder zur Hand und tauchte sie ins Tintenfass. »Sie vermag kaum zu atmen. Sie ist völlig außer sich.«
    »Sie … Sie gewissenloser Schuft!«, schrie ich. »Wie viel muss sie noch leiden, bevor Sie endlich zufrieden sind? O Mary, komm, ich bitte dich. Du kannst nicht hierbleiben.«
    Aber Mary rührte sich nicht von der Stelle. Erneut umklammerte sie das Bündel und krallte sich ins Laken, wand sich und wehrte mich mit den Ellbogen ab. Der Apotheker tätschelte ihr die Hand, seine Augen funkelten tief in seinem Schädel. Dann legte er den Kopf zurück und schloss die Augen.
    »Merkst du denn nicht, wie du mit deinem Drängen dieser Kreatur Schmerz zufügst?«, bemerkte er gelassen. »Ihre Leidenschaften übersteigen alles menschliche Maß.«
    Ich starrte ihn an und ließ von Mary ab, die nun am Boden kauernd lautlos in die Hände weinte.
    »Sie haben die Stirn, mir die Schuld an ihrem Schmerz zu geben! Ein Mann, der ohne die geringsten Skrupel in den Lauf der Natur eingreift und unschuldiges Leben zerstört! Und wozu? Um des Geldes, des Ruhmes willen? Guter Gott, in Ihnen ist der Teufel selbst am Werk!«
    Ich schluckte und rieb mir mit der geballten Hand die Nase. Mary hob das verstümmelte Äffchen hoch und drückte

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