Der Apotheker: Roman (German Edition)
bevor ich den Buchhändler aufsuchte. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Schamhaft und reumütig würde ich den Kopf senken. Mit ein paar Tränen und dem demütigen Eingeständnis, dass ich seine Gnade nicht verdient hätte, würde ich ihn um Vergebung bitten. Wenn er mich tadelte, was wahrscheinlich war, würde ich den Kopf hängen lassen und ihm recht geben.
Mrs Eliza Honfleur. Noch drei Wochen und zwei Tage.
Doch irgendwie huschten die Stunden davon. Ich spazierte nach Westen Richtung Westminster, wo mir alles unvertraut war, kratzte mich an Arm und Hals, wo mich die Flöhe gebissen hatten, und sah dem Verkehr zu. Um mich herum, zu Wasser und zu Lande, waren Boote und Männer und Pferde und Karren unterwegs, lebhaft und zielstrebig, genau wissend, wohin sie wollten. Als ich müde wurde, setzte ich mich auf die feuchten Planken eines Kais und ließ die Beine baumeln, bis mich ein Kahnführer anbellte, dass ich seinen Liegeplatz blockierte. Als ich mir vorstellte, wie Edgars fette Hand die schmale Hand des Hugenotten drückte, wie sich auf seinem aufgedunsenen Gesicht ein Grinsen breitmachte und seine gierigen Augen leuchteten, zog ich die Knie an die Brust und presste mir die Finger auf die Augen. In der Nähe spielte eine Schar zerlumpter Kinder im Dreck, die Gesichter ausgemergelt vor Hunger. Als ich ihnen die Hälfte der Brotscheibe gab, die ich mir zum Frühstück gekauft hatte, fielen sie darüber her wie die Ratten.
Um zwei Uhr kehrte ich unverrichteter Dinge in die Wäscherei zurück. Die Besitzerin schob mich schnell hinein und nickte zu Mary hinüber, die uns den Rücken zugewandt hatte und über dem Kupferkessel mit der Kochwäsche gebeugt stand.
»Sie kriegt es hin«, meinte sie anerkennend. »Sie ist langsam, aber sie kriegt es hin.«
»Und für heute soll sie es gut sein lassen. Sie können nicht uns beide für den Preis von nur einer haben.«
Die Waschfrau zog ein mürrisches Gesicht. Dann schnippte sie mit den Fingern und wies Mary an, mir ihre geölte Schürze zu geben. Mary blinzelte vor Müdigkeit, während sie an den Bändern nestelte. Das Haar hing ihr in dunklen Strähnen ins Gesicht, und ihre Hände waren rot und rissig von der Lauge. Ich griff nach ihrer Hand.
»Arme Mary. Ich werde dir eine Salbe anrühren, mit der du dir die Haut einreiben kannst.«
»Gekommen?«
»Ich? Natürlich bin ich gekommen. Warte irgendwo auf mich, wo ich dich im Auge behalten kann. Ich werde bald fertig sein.«
»Gekommen«, wiederholte Mary, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Ach, Mary. Du wirst das nicht mehr lange machen müssen, das verspreche ich dir.«
Die Arbeit in der Wäscherei war so zermürbend wie eintönig. Die Hände wurden rissig und bekamen Blasen, die Haut wurde runzlig, und unsere Schultern wurden so schwer, dass wir kaum noch die Arme heben konnten. Das Essen war einfach, aber es gab genügend Brot, und ich steckte mir heimlich etwas davon in die Schürze, damit ich für Mary ein Abendessen hatte, wenn ich schließlich mit der Plackerei fertig war. Wir sprachen kaum miteinander, aber ich beobachtete, wie unsere Füße im Gleichklang über die düsteren Straßen schlurften, und das tröstete mich. Nachts auf der verlausten Matratze drang ihr klebriger Atem bis in meine Träume. Manchmal schrie sie im Schlaf auf, und die Kreatur in ihrem Bauch wand sich und strampelte. Dann drehte ich ihr den Rücken zu und schloss die Augen. Ich sprach mit ihr weder über das Kind noch über den Schrecken des Gefängnisses oder darüber, was wir tun würden, wenn die Kreatur zur Welt kam. Ich hatte außer meiner eigenen Entbindung noch nie eine Geburt miterlebt und besaß daher nur eine sehr vage Vorstellung, wie man ein solch schreckliches Wunder bewerkstelligen konnte. Was wusste ich schon – ich, deren ganze diesbezügliche Erfahrung ein einziger qualvoller, gellender, bluttriefender Schmerzensschrei war? Es war nicht nötig, ihr und auch mir selbst Angst zu machen. Die Angst käme noch früh genug von selbst. Eins nach dem anderen.
Am Morgen des dritten Tages zwang ich mich, zur Buchhandlung zu gehen. Auf dem Weg dorthin übte ich noch einmal mein Sprüchlein: Ich hätte schon früher kommen wollen, aber meine Herrin habe es nicht erlaubt. Ich hätte mich nicht getraut, mich bei ihm blicken zu lassen, so beschämt sei ich von meinem schändlichen Verhalten gewesen. Drei Tage lang sei ich untröstlich gewesen und hätte nur geweint, aus Furcht, dass ich aus Gedankenlosigkeit eine Heirat
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