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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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zu beachten. Ich hatte einen kleinen Tisch im rückwärtigen Teil gewählt, weit weg vom Kamin, wo wir möglichst wenig Aufmerksamkeit oder Feindseligkeit auf uns ziehen würden. Vor der Eingangstür warteten zwei zerlumpte Schornsteinfeger, denen der Zutritt verwehrt war, darauf, dass das Mädchen ihnen ihr Frühstück brachte, eingewickelt in Butterbrotpapier. Als sie davonschlurften, wirbelten sie ihre Bürsten durch die Luft, worauf von den Passanten empörte Rufe zu hören waren.
    Wir schliefen ein wenig, aneinandergelehnt an der Wand, die uns ihren eisigen Atem in den Rücken hauchte. Als wir das Kaffeehaus verließen, war es bereits helllichter Tag, und die Kais hatten ihr gewöhnliches Aussehen angenommen. Ich band Mary ihr Tuch um den Kopf, sodass man ihr Gesicht nicht erkennen konnte, und straffte die Schultern, während wir, die Hauptstraßen meidend, Richtung Norden eilten.
    Wir waren so sparsam gewesen wie nur möglich und hatten trotzdem fast schon einen ganzen Shilling ausgegeben. Mit dem Geld im Saum meines Kleides konnten wir vier oder fünf Tage, vielleicht sogar eine Woche auskommen, wenn wir sorgsam damit umgingen, den Hunger nicht scheuten und auf einen Platz zum Sitzen oder Schlafen verzichteten. Ich dachte an den Mann in der Gasse die Nacht zuvor, der mit seinem Strahl auf Marys Mund gezielt hatte, während sein Freund ihn offen hielt, und drückte Marys Arm. Sie wandte den Kopf und blinzelte mich an.
    »Nach Hause«, murmelte sie, aber das war keine Frage mehr, und die Worte verloren sich in den Falten ihres Tuches, schwer und hoffnungslos.
     
    Es war der einzige Ort, der mir als Zuflucht noch einfiel.
    Little Whalebone Court nannte sich ein Geviert hinter der Drury Lane, versteckt zwischen dem Gasthaus zu den gekreuzten Schlüsseln und Stallungen mit durchhängendem Dach. Ich konnte die Pferde wiehern und gegen die Wände ihrer Verschläge poltern hören, als wir den engen Durchgang passierten und uns zwischen trüben Pfützen und Misthaufen einen Weg bahnten. Hinter den Stallungen lag eine offene Fläche, doch vom Himmel war nichts zu sehen, denn auf dem gesamten Hof waren kreuz und quer Leinen gespannt, auf denen Wäsche zum Trocknen hing. Es sah aus wie ein kunstvoll errichtetes Zelt, und trotz des gleißend hellen Tageslichts lag der Hof im Dunst, als stünden wir inmitten einer Wolke. Von den abbröckelnden Backsteinmauern hallte das dumpfe Klappern der Pferdehufe auf den Holzplanken wider, und die Erschütterungen ließen die Laken und Kleider auf den straff gespannten Leinen erzittern. Dunkle Wasserflecken zeichneten sich in den staubigen Boden.
    Ich schob ein Laken beiseite und schlüpfte unter der Leine durch. Die Wäsche roch säuerlich nach Lauge.
    »Hunger«, quengelte Mary.
    »Hör auf damit, Mary!« Aus Angst klang meine Stimme harscher, als ich es beabsichtigt hatte. Ich seufzte. »Erst einmal erledigen wir das hier, danach besorgen wir dir etwas zu essen. Obwohl du versuchen solltest, mit weniger auszukommen, wenn wir es schaffen wollen. Du hast den Appetit eines Elefanten.«
    Ich schob ein weiteres Laken zur Seite und hielt es hoch, damit Mary hindurchschlüpfen konnte. In ihrem kupferfarbenen Haar hatten sich Wassertropfen verfangen. Ich wischte sie ihr ab, als sie sich bückte. An den feuchten Stellen war ihr Haar dunkler und klebte ihr strähnig am Kopf, sodass ich die bleiche Haut ihres Schädels sehen konnte.
    »Alles wird gut«, sagte ich leise und kreuzte, die Hände in den Achselhöhlen verborgen, die Finger.
    Die Wäscherei war ein enger, dampferfüllter Raum in der hinteren Hofecke. Berge schmutziger Wäsche reihten sich wie Schneehaufen die Wand entlang, und über den ganzen Raum verteilt standen Körbe und Fässer mit Kambrik-, Musselin- und anderer Wäsche, teils trocken, teils feucht. Zwei barfüßige Mädchen von sechs, sieben Jahren rührten mit langen Holzstäben in kupfernen Waschzubern. Sie mussten sich auf ihren dreibeinigen Hockern gehörig strecken, damit sie mit den Ellbogen nicht das heiße Metall berührten. An einem niedrigen Tisch schrubbte ein weiteres Mädchen, ein wenig älter, einen zerknitterten Kragen mit Seife. Der Holzbottich neben ihr, der ihr über die Hüfte reichte, quoll vor schmutziger Wäsche fast über. Ein viertes Mädchen hinter ihr, kleiner und schmächtiger als die übrigen, dessen Wangen fiebrig glühten, drehte mit einer Kurbel zwei große Holzrollen, durch die nasse Wäschestücke gepresst wurden, sodass sich auf den von

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