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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Wäscherei, war aber dennoch auf der Hut. Wenn ich etwas zu essen kaufen ging, das Schultertuch trotz der sommerlichen Hitze über den Kopf gezogen, ließ ich Mary im Zimmer. Nachmittags blieb sie in meiner Nähe und spielte mit Peteys Äffchen, während sich der Gaukler nach Arbeit umsah. Ihr Bauch war plötzlich enorm gewachsen, sodass sie Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten. Während ich arbeitete, beobachtete ich sie, und mir war klar, dass es nicht mehr lange dauern würde.
    Ich mied die Gegend um den Kirchhof. Wenn ich an meine Heirat dachte und an den Ring des Buchhändlers, der mir in den Finger geschnitten hatte, so geschah das ohne Bedauern, eher mit einer Art gleichgültigen Verwunderung. Meine Erinnerungen waren wie ein flüchtiger, nur dunkel erinnerter Traum, in dem das Gesicht des Hugenotten dem meinen ganz nah war, aber gleich darauf verschwamm, um mit der Selbstverständlichkeit und Logik von Träumen zum Gesicht Edgars oder des toten Äffchens zu werden.
    Eins nach dem anderen.
    Fünf Tage vor dem Fest des heiligen Bartholomäus, kurz vor drei Uhr morgens, setzten bei Mary starke Wehen ein. Es war eine warme Nacht. Der weiße Vollmondschein verlieh den Schatten harte Konturen. Seit Stunden war ich immer wieder aufgewacht, und in meinen Träumen erschien mir stets eine Frau, von der ich wusste, dass es Annette war, obwohl sie Mrs Dormers Gesichtszüge hatte; sie trug Umhang und Rock aus scharlachroter Seide und ein blassgoldenes Mieder mit scharlachroten Bändern. Als ich Mary aufschreien hörte, wusste ich, dass es so weit war. Ich holte meine Hasenpfote unter der Matratze hervor und band sie ihr um den Hals. Sie saß kerzengerade da, die Arme um den Bauch geschlungen.
    Ich hielt ihre Hand und wies sie an, ruhig zu atmen, dabei hatte ich selbst größte Mühe, Gelassenheit zu demonstrieren. Die Vorbereitungen waren getroffen, wir würden es problemlos schaffen, so sagte ich mir. Obwohl die Waschfrau beharrlich über Marys Zustand hinwegsah, hatte sie uns erlaubt, einen kleinen Vorrat an Lappen und Tüchern anzulegen, für die sie keine Verwendung mehr hatte. Diese hatten wir ausgekocht und getrocknet und in ein Stück Musselin eingeschlagen, damit sie sauber blieben. Wir hatten auch das Glück, dass der Gaukler, der sich ohne den Quacksalber O’Reilly einsam fühlte, uns regelmäßig besuchte und uns Essen und manchmal sogar Wein brachte. Was davon übrig blieb, hatte ich aufgehoben, um es Mary nach der Entbindung einzuflößen. Wäre der Gaukler nicht so freundlich gewesen, hätten wir viel öfter gehungert. Neben die Tür stellte ich griffbereit einen Eimer mit Flusswasser. Seine modrigen Ausdünstungen würzten die Luft und vermischten sich mit dem Laugengeruch in unserem Haar.
    Als die Wehen einsetzten, war es schrecklich, mit anzusehen, wie Mary litt. Sie klammerte sich an mich und meinte, sterben zu müssen. Je heftiger und häufiger die Wehen wurden, desto stärker krallte sie die Finger in ihren Bauch, als wollte sie sich die Quelle ihrer Schmerzen aus dem Körper herausreißen – wie ein in der Falle sitzendes Tier, das sich das eigene Bein abbeißt.
    Ich konnte ihr nur den Schweiß von der Stirn wischen und ihr gut zureden, und ich betete die ganze Zeit, dass die Geburt ohne Komplikationen verlaufen möge. Ich wagte nicht, eine Hebamme zu rufen, denn sie hätte wissen wollen, wer der Vater sei, damit das Kind nicht der Gemeinde zur Last falle. Und wenn sie besonders penibel wäre, hätte sie womöglich sogar verlangt, den Vater unverzüglich herbeizurufen, damit er seine Verfehlung eingestehe. Und was das Kind selbst betraf …
    Nein, ich konnte keine Zeugen gebrauchen. Ich dachte an Kain, an Herodes, an die ägyptischen Pharaonen, die allesamt in der Hölle schmorten wie Hähnchen am Bratspieß, und war dankbar, dass die Wand des Nachbarhauses den Blick auf die Kathedrale verstellte. Manchmal spürte ich Gottes heißen Atem in meinem Nacken, schwerer und salziger als selbst der Geruch des Flusses, und obwohl ich fröstelte, wusste ich, was zu tun war. Ein Kind, das als Missgeburt zur Welt kam, würde aus seiner Mutter ebenfalls eine Missgeburt machen. Die beiden wären eine Jahrmarktsattraktion, sie würden angekettet und aufgeschlitzt und ausgelacht werden von stupiden Kerlen, die sich als Gelehrte aufspielten und ihre Finger in Entenfett tauchten, um leichter in sie eindringen zu können. Das Mondkalb und der Affenjunge. Missgeburten auf dem Rummelplatz, die man für Sixpence

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