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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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sagen, dieser Kerl«, meinte der Gaukler trocken. »Lass mich rein, dann schnappe ich ihn mir.«
    Ich zögerte. Schließlich öffnete ich die Tür und biss mir auf die Lippen. »Aber beeil dich. Ich will nicht, dass Mary aufwacht.«
    Es war düster im Zimmer, das graue Licht wie flüssiger Staub. Petey bewegte sich vorsichtig und schnalzte dabei so, wie es das Äffchen gewöhnlich tat.
    »Komm, Jabba, Jabba. Komm, Jabba, Jabba.«
    Schnell stellte ich mich vor die Kiste. Mary schlief noch, die Faust an die Wange geschmiegt. Plötzlich schnellte das Äffchen hinter mir hervor und schoss durch das Zimmer. Es zog etwas hinter sich her, weich und grau im Dämmerlicht.
    »Jabba, komm schon, gib es mir«, tadelte ihn Petey sanft.
    Hinter mir in der Kiste begann das Kind zu schreien.
     
    Petey bestand darauf, das Segeltuch vom Fenster zu nehmen, damit etwas mehr Licht hereinkam, so wenig es auch sein mochte. Während Mary das Kind stillte, besorgte er Essen und kam mit Suppe und Schinken zurück. Trotz ihres Fiebers aß Mary mit Heißhunger und bespritzte dabei das Tragetuch mit Fett. Ich brachte nichts hinunter und trank nur einen Schluck Wasser, um meinen Magen zu beruhigen, während ich Petey dabei zusah, wie er das Wesen behutsam aus dem Tuch nahm und es sich in den Schoß legte. Mit einem Finger streichelte er ihm das Affenköpfchen. Ich schloss die Augen und senkte mein Gesicht über die Tasse. Das Wasser schmeckte schal und muffig.
    »Ich hatte schon befürchtet, du hättest …«, murmelte Petey. »Aber du hast alles richtig gemacht. Dem Kind geht es prächtig.«
    Ich erwiderte nichts.
    »Ich hatte gedacht, es würde anders aussehen. So wie sie. Aber es scheint ganz normal zu sein.«
    Mir stockte der Atem.
    »Wie kannst du …?«, sagte ich scharf. »Schau es dir doch richtig an! Sieh nur!«
    Petey blinzelte verwirrt. »Aber …«
    »Bist du blind, oder hast du einfach nur zu lange die Missgeburten auf dem Bartholomäus-Jahrmarkt angegafft? Siehst du denn nicht, dass das … dieses Ding … dass es …«
    »Es ist ein wenig zu früh zur Welt gekommen, aber das hat ihm nicht geschadet. Ein strammes Kerlchen.«
    Ich starrte ihn entgeistert an. »Stramm? Er ist über und über behaart. Und die … die …«
    »Die Eier?« Der Gaukler lachte schallend über mein unbeholfenes Gestikulieren. »Ganz schön groß, nicht? So sorgt Gott dafür, dass selbst Dummköpfe den Unterschied erkennen.«
    »Vermutlich bist du ein Fachmann für Säuglinge?«
    »Und ob. Meine Mutter war eine Amme, da hab ich so manches mitgekriegt, und es waren richtig kränkliche kleine Würmchen darunter, das kann ich dir sagen. Aber der hier ist nicht so einer. Dem geht es hervorragend.«
    »Aber … bist du dir da sicher? Dass mit ihm alles stimmt?«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Du … du findest also nicht, dass …« Ich holte tief Luft und zwang mich gegen alle inneren Widerstände, es auszusprechen. »… dass er einem Äffchen ähnelt?«
    Der Gaukler gluckste belustigt. »All diese dürren Würmchen sehen zuerst wie Äffchen aus, vor allem, wenn sie zu früh zur Welt kommen. Die dicklichen hingegen, die sehen wie gekochter Pudding aus. Es gibt nur diese zwei Arten.«
    »Aha …?«
    »Aber der hier wird auch noch zunehmen. Und heranwachsen und seiner Mutter Ärger machen, wie jedes andere Kind auch.«
    Ich blickte den Kleinen an. Er verzog das Gesichtchen und rümpfte die Nase. »Aber ich dachte …«
    »Was?«
    »Bist du dir sicher? Dass überhaupt nichts an diesem Ding ist, was nicht stimmt?«
    »An diesem Jungen«, korrigierte mich Petey. »Ja, natürlich bin ich mir sicher. Absolut sicher.«
    Langsam streckte ich die Hand aus, um dem Kind das Gesicht zu streicheln. Mein eigenes Gesicht war wie versteinert, aber ich spürte, wie das Lächeln darauf immer breiter wurde und sich die Erstarrung löste. Im Brustkorb hüpfte mir das Herz wie ein gestrandeter Fisch.
    »Was hast du als Nächstes vor?«, fragte Petey. »Der Vater, kann man den ausfindig machen?«
    Ich presste die Lippen zusammen. »O ja, das kann man. Aber ich habe nicht vor, ihn auch nur in unsere Nähe zu lassen.«
    Der Gaukler runzelte die Stirn. »Aber wie willst du das alles allein schaffen? Du musst ihn zwingen, Alimente zu zahlen.«
    Ich starrte vor mich hin. Draußen vor dem Fenster auf der feuchten Mauer blühten rußbestäubte Blumen. An die Zukunft und an das, was als Nächstes kam, hatte ich überhaupt noch keinen Gedanken verschwendet. Zum ersten Mal seit

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