Der Apotheker: Roman (German Edition)
Besseres als ein schmutziges Bettlaken, ein modriges, missbrauchtes Bündel, das von schändlichen Flecken rein gewaschen werden musste. Damit war für sie die Sache erledigt.
Und doch sprach mich die Apothekersfrau mit seinem Namen an. Eliza Campling. Bei dem Gedanken bekam ich einen wässrigen Mund. Ich schluckte vor Aufregung und Ekel. Wie oft hatte ich mir vorgestellt, seinen Namen anzunehmen, seinen Namen zu tragen – welches Mädchen in meiner Lage hätte das nicht getan? Aber dieser Name war in meiner Vorstellung wie ein neues Kleid gewesen, das jemand anders gehörte; etwas, das man bewundern, über das man vielleicht mit der Hand streichen, das man aber niemals auspacken oder gar tragen durfte, um es nur ja nicht zu beschmutzen. Jetzt fuhr ich hastig in die Ärmel des Kleides und zog es mir über die Schultern. Was war schon dabei, wenn es zerriss? Ich würde es tragen, mit so viel vernichtendem Stolz, wie ich aufzubringen vermochte. Ich würde darin essen und schlafen, und wenn ich am Ende von diesem abscheulichen Wurm befreit wäre, würde ich es triumphierend mit meinem scharlachroten Blut tränken. Falls mich eine Strafe erwartete, nur zu. Das war die Sache wert. Für einen flüchtigen, strahlenden Moment hätte ich mir dann das genommen, was rechtmäßig mein Eigen war.
»Ja«, sagte ich mit fester Stimme. »Ich bin Mrs Campling.«
Als Mrs Black an jenem ersten Abend den nackten Finger meiner linken Hand sah, gab sie mir einen Ring aus Messing und schalt mich, dass ich so achtlos mit meinem eigenen Ring umgegangen sei. Sie sagte das ohne jeden Anflug von augenzwinkernder Komplizenschaft. Ja, all die Zeit, die ich sie kannte, verriet Mrs Black mit keiner einzigen Geste, dass sie meine wahren Umstände kannte. Für sie war ich stets eine verheiratete Frau. Eliza Campling.
Und ich war töricht genug, froh darüber zu sein.
7 . Januar
Sie ist da.
Ich höre sie schwerfällig die Treppe hochpoltern, höre ihren kehligen nördlichen Dialekt wie sie die Endungen verschluckt, während sie mit den Grundregeln der englischen Sprache zu kämpfen hat. Bei der Vorstellung, was für eine Wirkung diese große Metropole auf ihre unentwickelten Sinne haben muss, erschaudere ich ein wenig. Ich weiß von keinem Fremden, der vom Licht & vom Lärm dieser Stadt nicht verwirrt & verstört gewesen wäre, selbst wenn er mit europäischen Städten von durchaus beachtlicher Größe vertraut war. Was für einen tiefen Eindruck muss diese Stadt daher auf ein Mädchen vom Land machen, das noch vor wenigen Tagen im Dreck lebte? Daher habe ich Mrs Black aufgetragen, sie beständig vor den Gefahren der Stadt zu warnen, denn die Angst vor ungesehenen Schrecknissen außerhalb ihrer gewohnten Umgebung wird doch gewiss ihre Einbildungskraft beflügeln, die der ganzen Sache nur zum Vorteil gereichen kann.
Wie auch zu meinem eigenen. Zwar lassen die Besonderheiten der Situation die Grenzen zwischen der häuslichen Sphäre & der wissenschaftlichen Strenge des Labors verschwimmen, doch die strikte Trennung von Versuchsperson & Wissenschaftler muss unbedingt gewährleistet sein. Außerhalb dieses Zimmers werde ich sie nicht zur Kenntnis nehmen, & ich werde sie auf nichts ansprechen, was nicht unmittelbar mit der infrage stehenden Untersuchung im Zusammenhang steht. Diese formellen Regeln dürfen durch nichts verletzt, die strengen & objektiven Gesetze der Wissenschaft durch nichts beeinträchtigt werden. Dies ist nicht nur eine Frage der richtigen Herangehensweise – obwohl die Objektivität meiner Beobachtungen durch eine solche Rigorosität nur gewinnen kann –, sondern Teil meiner Arbeit selbst, sind doch Furcht & Unbehagen für den Erfolg des Unternehmens nicht minder entscheidend wie die innere Bereitschaft der Versuchsperson. Meine Arbeit mit den Frauen Londons hat mir deutlich gezeigt, dass die Einbildungskraft, zu der Frauen so stark neigen, am ehesten dann entfacht wird, wenn man ihnen diese Furcht einflößt. Sie schwächt die festen Teile & die Fasern des Körpers, der ohnehin sehr viel schwächer ist als bei einem Mann, sodass sie für Eindrücke höchst empfänglich werden.
Unter keinen Umständen darf ihr das Gefühl der Behaglichkeit gestattet werden.
VII
M rs Black führte mich zuerst in die Küche, einen dunklen Raum mit niedriger Decke im Souterrain. In einem großen Kamin züngelten ein paar Flämmchen, und am Fenster hüpfte in einem Drahtkäfig ein Hänfling auf seiner Stange umher. Es roch nach
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