Der Apotheker: Roman (German Edition)
Fleisch, gewürzt mit Rosmarin, und nach Fäkalien aus der Senkgrube im Keller darunter. Durch die oberen Scheiben des verdreckten Fensters sah man Stiefel, Hufe und Räder vorbeieilen. Es hatte wieder angefangen zu regnen, und in der Küche war es recht finster. In diesem Halbdunkel war ein Mädchen gerade damit beschäftigt, Teig zu kneten, das Gesicht tief über den Tisch gebeugt. Mehlstaub tanzte in der Luft und umnebelte ihre Gestalt, und um ihre Füße strich, geschmeidig eine Acht beschreibend, eine gelbe Katze mit einem Schwanz wie ein Hanfseil.
»Mary!«
Als das Mädchen die Stimme ihrer Herrin hörte, zuckte sie zusammen und rempelte gegen einen Stuhl, der daraufhin mit lautem Getöse auf den Steinfußboden fiel. Die gelbe Katze schoss blitzschnell davon und verkroch sich in eine Ecke. Das Mädchen kicherte, versuchte jedoch sofort, ihr Lachen zu unterdrücken, indem sie sich die mehlbestäubte Hand vor den Mund schlug. Mrs Black holte laut und vernehmlich Luft, sagte aber nichts. Stattdessen hob sie den Stuhl auf, hielt einen Fidibus ans Feuer und zündete die Kerzenstummel auf dem Küchentisch an. Das Mädchen machte keine Anstalten, ihr zu helfen, sondern beschrieb mit einem Fuß einen weiten Kreis auf dem Boden, während sie ins Licht blinzelte. Ihren großen Kopf hielt sie ein wenig zur Seite geneigt, als sei er ihr zu schwer. Sie trug keine Haube, und ihr bernsteinfarbenes Haar war mit einem Band im Nacken zusammengebunden. Es war keine alltägliche Farbe, es glänzte im Kerzenschein wie poliertes Kupfer, und einen Augenblick beneidete ich sie fast darum. Dann sah ich, dass sie auf der rechten Kopfseite eine handtellergroße kahle Stelle hatte, deren unterer Rand schwarz verkrustet war.
»Mary«, sagte Mrs Black, nunmehr barscher. »Das ist Mrs Campling. Sie wird eine Zeit lang bei uns bleiben, verstehst du?«
Mühsam hob Mary den Kopf. Ich erkannte sofort, dass sie eine Idiotin war. In ihrem Gesicht war zwar alles an dem Platz, wo es hingehörte, aber es lag etwas Unfertiges, Schlaffes darin, als wäre der Lehm, aus dem man es geformt hatte, zu feucht gewesen. Sie ließ den sperrangelweit offenen Mund hängen, und auch ihre Augen, rosa und wimpernlos wie die eines Kaninchens, hingen herab. Nackt und seltsam schutzlos wölbten sie sich aus ihren flachen Höhlen, und ihre raschen, gleitenden Bewegungen vermittelten den beunruhigenden Eindruck, als könnten sie in zwei Richtungen gleichzeitig schauen. Ihr Blick strich unstet über meine Schultern und meinen Scheitel, bevor er sich auf den Mehlfleck heftete, der ihren flachen Nasenrücken weiß färbte. Ihre Wangen glühten flammend rot in ihrem blassen Gesicht. Derweil machten sich ihre Finger in ihrem Mund zu schaffen, ihre große, feuchte Zunge leckte an dem Klümpchen rohen Teigs, der an ihren abgekauten Fingernägeln klebte. Sie murmelte etwas Unverständliches. Speichelblasen bildeten sich in ihren Mundwinkeln.
»Schenk Mrs Campling einen Becher Wasser ein«, befahl Mrs Black. »Sie wird durstig sein nach der langen Reise.«
Langsam nahm Mary die Hand aus dem Mund. Ihre Oberlippe war gespalten, sodass sie ihr wie zwei lose Lappen über die vorstehenden Schneidezähne hing und ein Stück des feuchten, weißlich rosa Zahnfleisches sehen ließ. Mit ihren Kaninchenaugen blinzelte Mary ungefähr in meine Richtung und verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. Ihr Kinn war mit Spucke und Mehl verkrustet. Mehrere ihrer unteren Zähne fehlten.
Ich schüttelte entschieden den Kopf. »Vielen Dank, aber ich glaube nicht …«
Mary rollte den Kopf und versuchte, mit ihrer klobigen Zunge ein Wort zu formen. Dann nahm sie mit quälender Langsamkeit einen hölzernen Schöpflöffel von einem Nagel an der Wand und einen Becher von der Anrichte und schöpfte vorsichtig Wasser aus einem Eimer neben dem Herd. Der Becher, den sie mir reichte, war klebrig vom Teig. Sie stand erwartungsvoll da, ihre unsteten Augen tasteten um mich herum, über mich hinweg und in mich hinein, bis ich es nicht mehr ertrug. Hastig nahm ich einen Schluck und stellte den Becher auf den Tisch. Das Wasser war unangenehm warm und schmeckte ekelhaft. Mary klatschte in die Hände und grinste so breit, dass ihr die Zunge zwischen den Lippen herausrutschte und sich ihre Kaninchenaugen zu schmalen, halbrunden Schlitzen verengten. Ihre Freude war offenkundig.
Und abstoßend zugleich. Ich wandte schnell den Blick ab. Keine Ahnung, was Mrs Black bewogen haben konnte, eine solche
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