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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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warm und kroch wieder ins Bett. Mary murmelte etwas und drehte sich zu mir herüber, ihr weicher Leib warm wie ein Hefebrötchen. Ich schob sie nicht weg und verdrängte den Gedanken an ihre vorquellenden Augen sowie ihre Eigenart, die Zunge im Mund zu rollen. Stattdessen kuschelte ich meine kalten Füße in ihre behaglich warmen Kniekehlen.
    In der Dunkelheit hätte sie irgendwer sein können.

Ich bin vor Zorn so außer mir, dass ich kaum die Feder halten kann. Ich darf nicht vergessen, dass ein Mann der Wissenschaft stets leidenschaftslos zu bleiben hat, aber gewiss gibt es Umstände, unter denen ein solches Gebot weder vernünftig noch wünschenswert ist. Der Körper eines Mannes mag nach mechanischen Prinzipien funktionieren, er ist dennoch keine Maschine.
    Der Abend begann hinlänglich gut. Ich speiste mit Wright im Gasthaus & wurde von seiner Meinung über den widerwärtigen Buchhändler Gaule getröstet. Es war Wright, der mich schließlich daran erinnerte, dass selbst der berühmte Mr Harvey noch lange nach seinem Nachweis des Blutkreislaufs gezwungen war, seinen Schülern Galens Prinzipien zu lehren, die er doch mit seinen Entdeckungen so eindrucksvoll widerlegt hatte. Trotz des Umgangs, den er pflegt, ist Wright ein feiner & anständiger Gentleman.
    Es war im Folley, wo wir auf den unerträglichen Simpson trafen. Zu meinem Verdruss begrüßte Wright ihn herzlich & bestellte weiteren Wein, über den Simpson & sein Kumpan herfielen wie die Heuschrecken. Dieser von Alkohol aufgedunsene Widerling begann sogleich von einer Abhandlung in der Wissenschaft der Physiognomie zu erzählen, die er kürzlich gelesen hatte, & insbesondere davon, auf welche Weise die Eigenheiten der Anatomie eines Menschen sein verborgenes Herz enthüllten.
    Neue Experimente in Deutschland, dozierte er, hätten zweifelsfrei bewiesen, dass es nicht mehr angemessen sei, die Defekte eines Säuglings auf die Leidenschaften seiner Mutter zurückzuführen, da es Frauen an der Fähigkeit mangele, ohne Anleitung des Mannes aus eigenen Stücken irgendetwas Eigenes zustande zu bringen. Stattdessen könne man den Ursprung solcher Mängel direkt auf die dem Kind innewohnende Unzulänglichkeiten zurückführen. Ein Buckel beweise daher nicht, dass die schwangere Mutter dem Anblick eines Krüppels ausgesetzt gewesen sei, sondern bringe die Unfähigkeit des betreffenden Kindes zutage, Verantwortung zu tragen, während eine Hasenscharte das lose Mundwerk eines Menschen offenbare, dem nicht zu trauen sei, & zwei siamesische Zwillinge, zusammengewachsen an der Hüfte & nur mit einer einzigen Vagina ausgestattet, würden dadurch zeigen, dass sie lasterhafte & beklagenswerte geschlechtliche Begierden hegten. Was Male im Gesicht angehe – hierbei fixierte er mich mit seinem Eidechsenauge –, so seien sie schmutzigen Gedanken zuzuschreiben, Gedanken, die einem ehrenwerten Mann die Schamröte ins Gesicht treiben würden.
    Vielleicht sollte ich dankbar sein, dass Wright einschritt, damit niemand zu körperlichem Schaden kam, aber ich kann nicht sagen, dass ich es bedauere, den Degen gezogen zu haben. Ein offenes Streitgespräch zwischen Männern von Bildung ist eine Sache, das Herumposaunen von bösartigen & perfiden Unwahrheiten eine ganz andere. Ach, wie die Menschheit immer verderbter wird & sich Unschuldige zum Opfer nimmt, deren Leid ohnehin schon jedes Maß übersteigt. Der bloße Gedanke daran macht meinen Puls rasen & die Feder auf dem Papier zittern. Werden jene, die ihr Leben lang gezwungen waren, die Last der Verruchtheit eines anderen Menschen zu tragen, wieder einmal unschuldig zur Zielscheibe des Hasses?
    Simpson ist ein Strolch durch & durch, & ich wünsche ihm alles erdenklich Schlechte.

X
    D ennoch zog wie gewohnt die Morgendämmerung herauf, mit einem Band aus niedrigen Wolken. Kaum waren die ersten Verrichtungen des Tages erledigt und das Frühstück eingenommen, rief mich meine Herrin und trug mir auf, unverzüglich ins Zimmer meines Herrn zu gehen.
    »Aber meine Hausarbeit …?«, stammelte ich.
    »Die kann warten«, gab Mrs Black scharf zurück. »Nun hinauf mit dir. Es gehört sich nicht, den Herrn warten zu lassen.«
    Langsam stieg ich die Treppe hoch. Der Tag war sonnig geworden, und auf der Scheibe über der Haustür zeichnete sich ein klares, blasses Blau ab. Ein viel zu schöner Morgen für Geister oder Dämonen. Es gab nichts, wovor ich mich fürchten müsste. Ich würde heimlich einen Blick auf sein Gesicht werfen, sagte

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