Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
Vom Netzwerk:
hartnäckig
     
    ↓
     
    VERBORGENE ÄNGSTE ?
    NB : derb & widerborstig: dauerhafte Verstärkung entscheidend

XI
    E s überraschte mich nicht, dass Edgar meine Verunsicherung unverzüglich ausnutzen wollte. Das Hirn des Lehrlings mochte vollständig in seiner Hose stecken, aber die Schwächen anderer witterte er mit einem Instinkt, um den ihn jeder Terrier beneidet hätte. Also verlor er keine Zeit, mich über die Vorliebe meines Herrn für junge Mädchen aufzuklären. In Edgars Augen war der Alte, obwohl er regelmäßig die heilige Messe besuchte, sonntags den Laden zusperrte und seine Rechtschaffenheit noch auf vielerlei andere Art und Weise vorspiegelte, nichts anderes als ein geiler Lüstling und ganz versessen auf die Vergnügungen, die eine hübsche junge Dienstmagd zu bieten hatte. Edgar behauptete, schon mehrmals durch einen praktischen Riss im Türholz den alten Wüstling dabei beobachtet zu haben, wie er mit heruntergelassenen Hosen sein nacktes Hinterteil auf und ab hüpfen ließ wie ein Fisch an der Angel. Man munkle, dass meine Vorgängerin, ein junges Ding, das über alle Maßen frech gewesen sei, aber Rundungen besessen habe, von denen jeder erwachsene Mann träume, die Annäherungsversuche des Apothekers zurückgewiesen habe – doch was sei danach aus ihr geworden, auf der Straße und ohne guten Leumund? Edgar betrachtete mich nachdenklich, bevor er schließlich erklärte, ich sei zwar nicht so verführerisch wie das Mädchen vor mir, besitze aber eine Art schlichten Reiz, den mein Herr zweifellos verlockend finde. Ein Mädchen meines Schlages würde gewiss jede Chance ergreifen, die sich ihr biete. Nein, seufzte Edgar zufrieden und biss in ein Hefebrötchen, er sei sich sicher, dass er schon bald das Vergnügen haben werde, meine drallen weißen Schenkel durch diesen praktischen Spalt in der Tür zu studieren.
    Obwohl ich Edgars Behauptungen keineswegs für bare Münze nahm, machten mich seine Unkereien bange und nervös. Dass die Tür einen Riss hatte, entsprach der Wahrheit, ich sah ihn mit eigenen Augen. Und falls der Herr tatsächlich von mir verlangen sollte, ihm Erleichterung zu verschaffen, so war er wohl kaum der Einzige. Wie viele Mädchen in meiner Lage waren wohl gezwungen, schweigend zu ertragen, dass ihr Herr ihnen nachstellte, da sie andernfalls ihre Stellung verlieren würden, ohne ein Zeugnis zu erhalten? Selbst wenn Edgar nicht so energisch im Topf gerührt hätte, müsste ein Mädchen von Verstand stets auf der Hut sein.
     
    Zwei Wochen vergingen, dann drei. Die Tage waren kurze, dämmrige Unterbrechungen in der endlosen rußigen Dunkelheit des Winters. Selbst an den wenigen klaren Tagen schien die blässliche Sonne es kaum zu schaffen, über den Rand des Dächermeers zu klettern, bevor sie erschöpft wieder aus dem Blick verschwand. Sogar zu Mittag mussten wir Talgkerzen anzünden, um nicht über die eigenen Füße zu stolpern. Die Schatten waren glitschig und salzig und stanken nach geschmolzenem Fett.
    Über meinen Zustand wurde kein Wort mehr verloren, und nichts geschah. Erst beunruhigte es mich, dann wurde ich immer gereizter. Schließlich wusste ich, dass es entscheidend war, so rasch wie möglich etwas zu unternehmen, und ich konnte mir beim besten Willen keinen Reim darauf machen, welchen Zweck die Untersuchungen des Apothekers haben und wozu weitere Verzögerungen gut sein sollten. Tag für Tag, während ich meine Pflichten erledigte oder seine unsinnigen Fragen beantwortete und dabei die kahle Wand anstarrte, als fände ich auf ihr einen Hinweis, welche Antwort ihm wohl am besten gefallen würde, schwoll der Wurm in meinem Bauch weiter an und wurde immer kräftiger. Wenn ich nur daran dachte, bekam ich feuchte Hände und Pusteln auf der Stirn. Hatte man mich denn nicht aus einem bestimmten Grund zu dem Apotheker geschickt, und einzig aus diesem Grund? War der Apotheker nicht mit größter Sorgfalt eigens dafür ausgesucht worden, mit dem Auftrag, mich von dem Wurm zu befreien und alle Spuren von Unschicklichkeit und jugendlicher Verfehlung zu tilgen? Niemand auf der Welt wollte doch, dass dieser abscheuliche Wurm am Leben blieb, und am allerwenigsten jemand hier in dem Haus in der Swan Street.
    Während jedoch die Wochen ins Land gingen, konnte ich mich der schrecklichen Befürchtung nicht erwehren, dass mein Zustand irgendwie übersehen oder vergessen worden sei. Ich begann unter Kopfschmerzen und Bauchweh zu leiden und bekam garstige Hautausschläge unter den Armen

Weitere Kostenlose Bücher