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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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ich ihr Gerede über mich ergehen und stürzte das heiße Getränk so hastig hinunter, dass es mir den Gaumen verbrannte. Vergeblich suchte ich anschließend in meinem Mund einen bitteren Geschmack zu erspüren. Meine Mutter hatte oft zerstoßenes Farnkraut mit dem rosa blühenden Ysop gemischt, den die Landbevölkerung als Gladiole bezeichnete. Im Frühsommer hatte sie mich immer losgeschickt, ihn auf dem sumpfigen Gelände am Fluss zu sammeln. Sie behauptete, die Tinktur helfe gegen Entzündungen bei Wassersucht und Gicht, aber ich wusste, dass die meisten Frauen, denen sie sie verabreichte, aus ganz anderen Gründen einen dicken Bauch hatten.
    Was Mrs Blacks Arznei sonst noch enthielt, blieb mir ein Rätsel. Die Flüssigkeit vermischte sich mit der Angst in meinem Bauch, bis ich mich fast übergab und mir ein Geschmack nach saurem Honig in die Kehle stieg. Als ich Mrs Black mit zittriger Stimme fragte, ob ich mich darauf verlassen könne, dass sie käme, wenn ich sie riefe, schnaubte sie durch die Nase und sagte, ich solle keinen Unsinn reden. Bestimmt hätte es ihr ein gehöriges Maß an Genugtuung verschafft, hätte sie mich in meinem eigenen Blut ertränkt aufgefunden.
    Mit einem Bündel Lumpen, das eigentlich zum Anheizen gedacht war, legte ich mich zu Bett. Mary schlief wie üblich auf der Stelle ein. Mehrere Stunden lag ich still, horchte auf ihren Atem und wartete auf das Einsetzen der Krämpfe. An den Rändern meines Bauchs spürte ich sie bereits wie ein Versprechen, wie Schatten, die sich zum Angriff sammeln und nur auf die passende Gelegenheit warten. Auf der Gasse bellten und jaulten zwei Hunde in erbittertem Kampf. Dieser Lärm, spitz wie Reißzähne, fuhr mir durch Mark und Bein und ließ meine Haut glühen. Ich vergrub den Kopf unter dem Kissen, doch das wütende Gebell durchdrang die Federn und wob sich in mein Haar, vermischte sich mit dem Bauchgrimmen und dem leisen Stöhnen des Wurms, als die Flüssigkeit ihm seine winzigen Fäuste ätzte. Die Angst in meinem Mund schmeckte streng und knorpelig wie verdorbenes Fleisch.
    Irgendwann musste ich eingeschlafen sein. Als ich erwachte, dämmerte es bereits. Keine Blutungen, keine Krämpfe, kein Schmerz. Zwischen meinen Hüftknochen erhob sich die Schwellung meines Bauchs wie eine unumstößliche Tatsache.
    Mrs Black runzelte die Stirn, als ich im Flur ihre Hände ergriff. Frostig machte sie sich von mir los.
    »Du siehst müde aus, Kind.«
    »Aber es ist nichts geschehen!«, sagte ich aufgewühlt. »Überhaupt nichts.«
    »Ich konnte nicht schlafen, weil irgendwelche Hunde sich so schrecklich angekläfft haben«, meinte Mrs Black ungerührt, als hätte sie mich nicht gehört. »Edgar sagt, du hast Angst vor Hunden, stimmt das? Ich muss gestehen, letzte Nacht war mir auch nicht ganz wohl.«
    Bei anderer Gelegenheit hätte mir die Vorstellung vielleicht gefallen, dass ihr nicht ganz wohl war. Jetzt interessierte mich das nicht. Ich war nur mit mir beschäftigt.
    »Zum Teufel mit den Hunden!«, schrie ich. »Haben Sie mir nicht zugehört? Es ist nichts geschehen!«
    Mrs Black starrte mich an. Einen Moment lang dachte ich, sie wolle mich schlagen, weil ich geflucht hatte. Ich versuchte, Haltung zu bewahren und ihrem Blick standzuhalten. Mit einem Mal presste sie die Lippen zusammen und stieß die Luft scharf aus.
    »Was um Himmels willen hast du denn erwartet?«, fuhr sie mich an. »Deinem Stuhl nach funktioniert deine Verdauung einwandfrei. Es wäre kaum angebracht, dir in einer solchen Situation ein Abführmittel zu verabreichen. Ich schlage vor, du legst dich ein bisschen hin. Es wäre nicht gut für dich, wenn du dich in diesen Umständen überanstrengen würdest.«
    Damit war die Sache beendet. Es fiel kein weiteres Wort mehr.

Heute war Jewkes da. Er hatte widerlich gute Laune, da er zuvor die Kathedrale besucht hatte, die ihm großartig gefällt. Er war bis in die Galerie in der Kuppel hinaufgeklettert & hatte seinen Diener angewiesen, seine & seines Begleiters Initialen in den Stein zu ritzen. »Für die Nachwelt«, sagte er, als wäre sein Graffito ein ebenso großes Geschenk an die Geschichte wie die Arbeiten von Harvey & Sydenham zusammengenommen. An einem solchen Gönner kann ich nur verzweifeln. Er bestand darauf, Einwände gegen meine Methode zu erheben, die größtenteils stumpfsinnig & samt & sonders unwissenschaftlich waren. Kein Mensch zieht den Nutzen der Sezierung von Verbrechern in Zweifel, die für ihre Untaten an ihren

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