Der Apotheker: Roman (German Edition)
Einschlafen hinderte. Im Zimmer unter uns lief der Apotheker endlos im Kreis umher, sein leises Murmeln kroch durch den Boden herauf wie Meeresrauschen, und vor dem Fenster schimmerte, ganz in sich verschlossen, die Kuppel. Ich drehte mich vom Fenster weg und schloss fest die Augen, aber immer noch drangen die Fragen auf mich ein, verstopften mir Nase und Mund mit ihrem sauren metallischen Geschmack. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen, die Finger in meinem Haar, als könnte ich mir die Antworten aus der Kopfhaut reißen.
Plötzlich war Lärm im Treppenhaus, eilige Schritte waren zu hören, die aber kaum nach einem Menschen klangen, und etwas rasselte wie eine Eisenkette, die gegen Holz schlägt. Mich packte die Angst, und schon im nächsten Augenblick flog krachend die Tür unserer Dachkammer auf. Der schmale Treppenabsatz lag in einem derart gleißenden Licht, dass ich eine Sekunde lang glaubte, das Haus stehe in Flammen. Mit einem Satz war ich aus dem Bett, von der Helligkeit geblendet, und rüttelte Mary wie wild an der Schulter. Sie grunzte, wurde aber nicht wach. Da schlug ich sie mit der Faust.
»Wach doch auf, du blöde …«
Die Worte erstarben mir auf den Lippen. Denn in diesem Moment stürmte mit schrecklichem Geheul ein Ungeheuer aus den Tiefen der Hölle herein, die Brust gereckt wie ein Schild, die Vorderbeine hoch in der Luft. Seine Zähne zerfleischten die Dunkelheit, Ströme von Geifer rannen ihm von den Lefzen. Seine Augen funkelten vor Mordgier. Es brüllte erneut, sein ganzer teuflischer Körper erzitterte von dem Gebrüll. Ich stand so nah vor ihm, dass ich seinen stinkenden Atem roch, schweflig vor Sünde. In meinem Schädel dröhnte der ohrenbetäubende Lärm, aber ich schaffte es nicht, mich von der Stelle zu rühren, sondern starrte nur auf das Halsband dieser Kreatur, einen dunklen Reif mit Eisendornen und einer Eisenkette, die hin und her schwang und klirrte. Ich spürte, wie mir warm der Urin die Innenseite der Schenkel hinunterlief. Meine Gedärme erschlafften.
Das Ungeheuer war gekommen, um mich zu holen. Nicht das Haus stand in Flammen, nein, es waren die Feuer der Hölle selbst, die die Treppe heraufzüngelten, blutrote Flammen der Rache. Der Abgesandte des Teufels war erschienen, um meine verdammte Seele ins ewige Feuer der Hölle zu werfen. Fieberhaft versuchte ich an etwas zu denken, an ein Gebet, einen Fluch, irgendetwas, das das Ungeheuer in Schach hielte, aber mein Hirn war leer, leer vor Entsetzen.
Hilf mir. O gütiger Jesus.
Die Worte waren zittrig und schwach wie Spinngewebe. Es war zu spät, um Gnade zu erflehen. Der Handel war abgeschlossen. Das dünne Nachtgewand hing an meinem schlotternden Körper, vollgesogen mit Schweiß und Exkrementen. Die schreckliche Bestie streckte sich mir immer näher entgegen, ihre Zunge satanisch rot, die Sehnen an ihrem Hals hervortretend wie Henkersstricke, die Zähne zu einem grässlichen, gierigen Grinsen gebleckt.
Ich konnte nichts tun. Ich konnte nur warten, bis sich das Ungeheuer mit seinem massigen Leib auf mich warf und mich erdrückte, bis ich den fleischigen Gestank seines Fells roch, bis sich seine Klauen in meinen Hals gruben und seine Zähne in das weiche Fleisch meines Bauchs bohrten. Die Bestie brüllte erneut und stürzte mir entgegen. Ich schrie, fiel rückwärts und schlug mit dem Kopf gegen die Bettkante. Einen Augenblick lang war das Zimmer von Farben überflutet, über und über bedeckt mit einem wunderschönen silbernen Staub.
Dann wurde es schwarz um mich.
ÜBER DIE EINBILDUNGSKRAFT VON MÜTTERN
Anmerkungen zu Abschnitt IX , Überarbeitung XVII
Die weibliche Einbildungskraft ist eine von Gott gesandte Versuchung, um die Tugendhaftigkeit einer Frau zu prüfen & festzustellen, ob sie für das Königreich des Himmels geeignet ist, ähnlich wie ein Mann gegen das Übermaß seiner fleischlichen Gelüste ankämpfen muss.
Eine keusche & tugendhafte Frau kann sicher sein, dass ihre Einbildungskraft, so stark sie auch sein mag, in der Reinheit ihrer Seele ein mächtiges Schutzschild findet, eine uneinnehmbare Festung, die den weichen & unbefleckten Körper ihres ungeborenen Kindes schützt.
Doch im Busen der Sünderin ist die Seele schwach, eine rostige Rüstung, ein bröckelnder Pfeiler, schutzlos gegen die dunklen Mächte der Einbildungskraft, die alsbald die Zitadelle des Schoßes überwältigen, ähnlich wie die Gicht den Fuß eines Greises befällt.
Die Einbildungskraft prägt sich nur
Weitere Kostenlose Bücher