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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Aufmerksamkeit. Es lag fast etwas Vertrauliches darin.
    »O ja, das stimmt«, hörte ich sie leise sagen. »Der Gemahl des Mädchens ist ein Verwandter meines Mannes, eine sehr gute Familie natürlich. Aber er hat Unternehmungen in Ostindien, die dort seine Anwesenheit erfordern, und nun gibt es die Befürchtung, dass in ihrer Heimatgemeinde die Pocken ausgebrochen sind. Selbstverständlich haben wir ihr angeboten, während der Dauer ihrer Schwangerschaft bei uns zu wohnen. Das ist für seine Mutter eine große Erleichterung. Schließlich können wir sie hier umsorgen, wie es sich gehört.«
    »Sie sind ein guter Mensch«, hörte ich eine Frau antworten. Sie trat ein wenig vor, damit sie leichter in den Laden spähen konnte, und da sah ich, dass es die Frau von Mr Dormer war, dem Kerzengießer, dessen Geschäft gleich gegenüber lag. Sie hatte ein käsiges Gesicht, eine Schwäche für feine Spitzen, die sie wie Seifenschaum um den Hals herum trug, und ein starkes Interesse an den Angelegenheiten ihrer Nachbarn. Es hieß, sie besitze den Instinkt eines Erzbischofs, wenn es darum ging, einen Sünder zu entlarven.
    Meine Herrin machte einen kleinen Schritt zur Seite, um ihr den Blick zu versperren.
    »Das ist doch nur meine Pflicht«, wandte Mrs Black sanft ein. »Ah, Mr Nicholls, einen guten Tag wünsche ich. Ich habe Ihre Arznei bereits zubereitet. Mrs Dormer, wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen? Einen Kunden darf man nicht warten lassen.«
    Sie trat zur Seite und geleitete Mr Nicholls in den Laden. Ich erhaschte einen Blick auf Mrs Dormer, die sich auf die Zehenspitzen stellte und die Augen zusammenkniff, um besser sehen zu können, bevor Mrs Black die Tür schloss. Ich besaß die Geistesgegenwart, mich zu verbergen. Mir war schwindelig. Mrs Dormer wusste alles. Aber wie war das möglich? Trotz meines recht kräftigen Körperbaus war ich von Natur aus schmal um die Hüfte. Meine Brüste hatten sich vergrößert, aber bisher ragte mein Bauch nur wenig vor, und ich konnte noch immer mein Mieder tragen, wenn auch ein wenig lockerer geschnürt als sonst. Selbst jemand, der mich schon länger kannte, wäre sich wahrscheinlich nicht ganz sicher gewesen. Und gewiss hatte Mrs Black nicht aus freien Stücken mein Geheimnis herumerzählt. Eine derartige Indiskretion konnte schlimme Folgen haben, insbesondere für die Frau eines Apothekers. Es hätte nur eines Nachbarn bedurft, der einen Groll gegen sie hegte, vielleicht jemandes, dem die teuren Arzneien keine Heilung gebracht hatten oder der den Blacks Geld schuldete. Einer wie meiner Herrin wäre ein solch schwerer Fehler wohl kaum unterlaufen. Sie plauderte ja ohnehin nicht gern. Zumeist presste sie die Lippen so fest aufeinander, dass die scharfen Falten um ihren Mund wie Stiche aussahen, mit denen man ihr den Mund zugenäht hatte. Aber hatte ich sie nicht dennoch soeben offen darüber reden hören, ohne auch nur einen Anflug von Schamgefühl?
    Ich lehnte mich benommen und mit zittrigen Knien gegen die Wand. Meine Hände waren eiskalt, als ich sie flach auf den Bauch legte. Die Umrisse des Wurms drückten sich in ihrer unfertigen Form nach außen, zeichneten vage eine Nase, Ohren und zwei Hände ab. Ein Kind. Bis zu diesem Augenblick hatte ich noch nie an ein Kind gedacht.
     
    An jenem Abend brachte Mrs Black Mary eine Tinktur zur Beruhigung ihres Magens.
    »Weiße Engelwurz«, sagte sie und stellte auch mir einen Becher hin. »Hoffen wir, dass der Trank deine Gereiztheit dämpft. Und jetzt trink.«
    Sie wartete mit verschränkten Armen. Ich zögerte. Schließlich griff ich rasch und ohne darüber nachzudenken, um was es sich handelte, nach dem Becher, trank ihn aus und gab ihn ihr zurück. Mein Mund brannte. Mrs Black zog eine Braue hoch und sagte nichts, sondern wandte sich Mary zu, die in ihren Tee starrte und dabei vor lauter Konzentration schielte. Der Dampf fing sich in winzigen Tröpfchen in ihren spärlichen Augenbrauen.
    In jener Nacht fand ich keinen Schlaf. Fragen über Fragen schwirrten mir durch den Kopf, hektisch und sinnlos und in solcher Fülle, dass ich nicht mehr wusste, wo die eine endete und die andere begann. Neben mir lag Mary und schnarchte, den Mund sperrangelweit offen. Mehrmals gab ich ihr einen Fußtritt, aber sie schlief so tief, dass sie sich nicht einmal umdrehte. Ich hingegen wälzte mich von einer Seite auf die andere, fand aber keine bequeme Lage. Nur die Laken wickelten sich mir um die Beine, was mich zusätzlich am

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