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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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die Kante, in größtmöglichem Abstand von dem Hut.
    »Hmm. Meine Frau sagt, du hattest letzte Nacht einen Albtraum.« Das Sprechen fiel ihm schwer, die Worte kamen wie verklebt aus seinem Mund. Er nahm einen Schluck aus dem Glas, das neben ihm stand. »Erzähl mir doch zunächst einmal alles von dieser Erscheinung, alles, woran du dich noch erinnerst.«
    Mit einem Mal war meine Wut verraucht, und übrig blieb nur eine kalte, würgende Übelkeit. Um mich herum schienen die Schatten dunkler zu werden und sich zu bewegen. Meine Lippen waren taub und trocken und machten das Reden unmöglich. Flehentlich schüttelte ich den Kopf.
    »Von Anfang an, wenn ich bitten darf. Zuerst wirst du die Einzelheiten des Traums selbst beschreiben. Sodann werde ich dir einige Fragen stellen, die du zu beantworten hast. Ich lege Wert darauf, dass du deutlich sprichst und innehältst, wenn ich es dir sage. Ich möchte mir nämlich Notizen machen.«
    Als er den Federkiel ins Tintenfass tauchen wollte, zitterte seine Hand so heftig, dass er sie mit der anderen Hand führen musste. Ich starrte auf meinen Schoß und wiegte den Kopf immer noch hin und her. In der Stille verrutschte ein Holzscheit im Kamin und schickte einen sprühenden Funkenschweif in den Rauchfang.
    »Verdammt noch mal, Mädchen, mach endlich den Mund auf! Ich dulde keinen Trotz!«
    Seine Augen waren rot vor Erregung, und das Mal auf seinem Gesicht war dunkel wie ein Bluterguss, als er die Feder auf den Tisch schleuderte. Heiße Tränen traten mir in die Augen.
    »Aber, aber, mein liebes Kind, warum denn so betrübt?«, säuselte der Apotheker plötzlich mit einschmeichelnder Stimme.
    Sein Zorn war so schnell verflogen, dass ich glaubte, ich hätte ihn mir nur eingebildet. Ruhig und bedächtig nahm er erneut den Federkiel zur Hand und wandte sich von mir ab, um die Spitze zu begutachten, bevor er ein Messer aus der Tasche zog und sie sorgsam nachschärfte. Im Spiegelbild der Fensterscheibe sah ich, dass er lächelte. Das purpurrote Mal erschien wie ein schwarzes Loch, durch das der abblätternde Anstrich am Fenster gegenüber im Haus des Kerzengießers schimmerte. Ich schniefte und wischte mir die Nase am Ärmel ab.
    Der Apotheker holte tief Luft. »Du bist ganz durcheinander, nicht? Soll ich Mary sagen, dass sie uns eine Schokolade bringt?«
    Mary hielt den Blick gesenkt, während sie das Tablett klappernd auf ein Tischchen stellte und wieder aus dem Zimmer schlurfte. Bisher hatte ich nur ein Mal Schokolade gekostet, als ich mit dem Finger den bröseligen Bodensatz in der leeren Tasse meines Herrn herausgewischt hatte. Nun umhüllte die warme, sahnige Flüssigkeit meine Zunge mit ihrer seidigen Süße. Ich hielt die Tasse ans Kinn und sog den Duft ein, damit der wohlriechende Dampf meine Übelkeit besänftigte.
    »Ich möchte dich bitten, jetzt anzufangen«, sagte der Apotheker sanft in Richtung des Fensters, während ich langsam einen weiteren kleinen Schluck nahm. »Ich muss alles wissen. Und du wirst dieses Zimmer nicht verlassen, bevor ich zufriedengestellt bin.«
    Er lächelte wieder und trommelte dabei ungeduldig auf die Armlehnen. Ich schluckte und biss mir auf die Lippen, damit der Schmerz mich zur Besinnung brachte und mir die Fassung gab, um anzufangen. Die Tasse in meiner Hand klapperte auf dem Unterteller.
    »Du willst doch nicht, dass ich dich zwingen muss zu reden?«
    Obwohl immer noch ein Lächeln seinen Mund umspielte, war in seiner Stimme davon nichts mehr zu spüren.
    »Ich … ich …«
    »Ja?« Der Federkiel zitterte.
    »Ich … ich verstehe es nicht.« Die Worte platzten nur so aus mir heraus. Kaum gedacht, waren sie mir schon entschlüpft. »Es ist … ich verstehe es nicht, Sir. Weshalb Sie das wissen wollen.«
    Ich starrte ihn hilflos an, darauf gefasst, dass das hölzerne Lineal durch die Luft sausen würde. Doch der Apotheker blickte nur aus dem Fenster, das Kinn in die Hand gestützt.
    »Weshalb ich das wissen will«, sagte er schließlich.
    »Ja, Sir«, flüsterte ich.
    Der Apotheker zwinkerte mehrmals nervös. Dann legte er die Feder beiseite und drehte seinen Stuhl so, dass er mich anschauen konnte. Schnell schlug ich die Augen nieder. Er schob einen Stapel Blätter beiseite, lehnte sich über den Tisch und bedeutete mir, ihm meine Hand zu geben. Ich zögerte. Dann aber folgte ich seiner Anweisung, den Blick immer noch abgewandt.
    »Sieh mich an!«, befahl er.
    »Aber …«
    »Ich sagte, sieh mich an.«
    Langsam hob ich den Kopf.
    »Ja,

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