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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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ausgetrocknet.
    »Immerzu dieses törichte Gefasel, statt einfach ein bisschen Dankbarkeit zu zeigen, wie es sich schicken würde«, fuhr Mrs Black fort. »Das nächste Mal werde ich dich in deinem Dreck liegen lassen.«
    »Ich … ich danke Ihnen.«
    »Na also. Es ist klar, dass dich etwas erregt hat. Ich habe Edgar aufgetragen, dir etwas zu mischen, das deine Leber kühlt. Aber lass dir eines gesagt sein: Ich möchte hier in diesem Haus keine Schauermärchen hören.«
    »Schauermärchen?« Tränen traten mir in die Augen. »Aber …«
    Mrs Black hob Schweigen gebietend die Hand und sah mich grimmig an.
    »Wenn du weiterhin unter meinem Dach wohnen willst, wirst du die Leiden, die Gott dir auferlegt hat, mit sehr viel mehr Tapferkeit ertragen als bisher. Ich werde in meinem Haus keine hysterischen Anwandlungen dulden, Mrs Campling.«
    Sie presste ihre Finger auf meinen Hals, um mir den Puls zu fühlen.
    »Ich werde mir deinen Topf ansehen, sobald du Stuhlgang hattest«, sagte sie. »Nun iss und beeil dich. Wo ist überhaupt das andere Mädchen? Ihr seid ohnehin schon bedauerlich mit eurer Arbeit in Verzug.«
    Der Tag verging quälend langsam. Ich schleppte mich durch die Stunden, ohne recht zu merken, was meine Hände taten. Als die Idiotin schließlich geruhte, ihre faulen Knochen nach unten zu bewegen, redete sie auf ihre unverständliche Art auf mich ein, aber ich hörte gar nicht zu. In meinem Kopf schwirrte und dröhnte und kreischte es auch so schon genug, dass mir angst und bange war. Trotz der Kälte schwitzte ich mein Mieder nass. Mir zitterten die Hände. Wieder und wieder schlug der Hund seine Reißzähne in die weiche, empfindliche Stelle zwischen meinen Augen, und ich musste sie fest zudrücken, die Fingerspitzen in die Höhlen gepresst, bis die gelben Lichtmuster hinter den Lidern das Bild vertrieben. Doch da sah ich Schrammen, lange, blasse Schrammen, mit Klauen in weiches Dielenholz eingekerbt. Keine Einbildung. Ganz und gar nicht.
    Der Mond stand bereits wie eine Sichel am schwarzen Himmel, als die Glocke des Apothekers schellte. Die Glocken im Haus wurden nur selten benutzt und nie geölt, und daher klang diese so zaghaft, als wollte sie sich erst einmal räuspern. Mary wippte aufgeregt auf den Fußballen, zupfte an ihrer Schürze und deutete auf die Glocke. Da schellte sie erneut.
    »Ja, ist ja gut, es reicht!«, stieß ich wütend hervor. »Muss er dieses verdammte Ding denn gleich so läuten, dass es von der Wand fällt?«
    Meine Wut war handfest, tröstlich. Ich griff nach einem Talglicht und stapfte die dunklen Stufen hoch, als wollte ich Kleinholz aus ihnen machen. An der Tür meines Herrn angekommen, klopfte ich nicht mit dem Knöchel des Zeigefingers an, wie mir aufgetragen war, sondern schlug mit der Faust dagegen.
    »Herein!«
    Mein Herr saß an dem schweren Eichentisch, in der einen Hand einen Federkiel. Vor ihm lagen zwei große Stapel Blätter, der eine beschwert mit einem Kaffeebecher, der andere mit einer Zuckerdose, und daneben stand ein angelaufener Leuchter mit fünf tropfenden Kerzen. Die Flammen schwankten, als ich eintrat, und ließen die Schatten hin und her wandern, sodass es aussah, als wanderten die Möbel durch den Raum. Er trug seine altmodische Perücke und einen verschossenen schwarzen Rock. Als er den Leuchter näher zu sich heranzog und das Licht auf sein Gesicht fiel, sah ich rasch zur Seite.
    »Nun denn«, sagte er.
    Selbst mit abgewandtem Blick spürte ich, wie unruhig er war. Wie ein Derwisch wirbelte er herum und blätterte hastig in seinen Papieren. Auch wenn er saß, zuckten seine Beine unter dem Tisch und vollführten auf Zehenspitzen präzise und verbissen einen Tanz. Dazu trommelte er mit den Fingern auf die Armlehnen, und seine Perücke fegte ihm um die Schultern wie ein Pferdeschweif. Sogar sein schlichtes schwarzes Gewand schien sich ständig zu verändern, wie ein Ameisenhaufen, der sich zu einer menschlichen Gestalt geformt hat. Der Fußboden war mit Krümeln übersät.
    »Was wollen Sie denn von mir?«, fragte ich kühn.
    Ich war darauf gefasst, dass er mich für meine Unverschämtheit rügte, aber obwohl seine Finger bedrohlich zuckten, erwiderte der Apotheker nichts, sondern wedelte mit seinem Federkiel in Richtung des Stuhls, auf dem ich gewöhnlich saß. Dabei spritzte er eine Perlenschnur schwarzer Tintenkleckse auf den Boden. Sein Hut hing auf der Rückenlehne des Stuhls, und der Schleier berührte fast den Boden. Ich setzte mich steif auf

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