Der Apotheker: Roman (German Edition)
entsprachen. Der Apotheker nickte mit zuckenden Kopfbewegungen, während er Seite um Seite vollschrieb. Manchmal seufzte er auf und schloss die Augen, sanft lächelnd, als hätte er selbst genau das Gleiche durchlitten wie ich. Wenn er müde wurde, hob er die Hand, damit ich innehielt, legte die Feder beiseite und ließ seine Finger spielen, um den Krampf zu lösen. Als er mich anwies, den Stuhl umzudrehen, sodass ich ihn nicht mehr ansehen musste, fiel mir das Reden leichter. Die Wand war ein guter Beichtvater. Zu meiner eigenen Überraschung erzählte ich ihm, dass ich mir sicher gewesen sei, die Bestie sei vom Teufel gesandt worden, um mich in die Hölle zu holen. Hinter mir holte der Apotheker tief Luft. Ich ballte die Hände im Schoß, erschrocken über meine Kühnheit, aber zu meinem Erstaunen sagte er nichts. Er schrieb nur noch schneller und drückte den Federkiel so fest aufs Papier, dass es entzweiriss.
Dann, mit einem Mal, brach er die Befragung ab. Er machte sich nicht einmal die Mühe, den Kopf von seinen Papieren zu heben, als ich mich unsicher von meinem Stuhl erhob, so sehr war er in seine Arbeit vertieft. Ich hatte keine Vorstellung, wie lange ich dort gesessen hatte.
»Meine Untersuchungen zeigen, dass die schrecklichsten Träume die Neigung haben wiederzukehren«, sagte er nachdenklich. »Ich hoffe um deinetwillen, dass du heute Nacht nicht wieder solche Qualen erleidest.«
Ich zuckte zusammen.
»Es scheint, je mehr Angst wir vor unseren Träumen haben, umso mehr verfolgen sie uns. Und du hast offenbar große Angst. Geh jetzt.«
»Sir.« Es war kaum mehr als ein Flüstern, aber mich trieb ein innerer Zwang. »Sir, was meinen … meinen Zustand betrifft …«
Der Apotheker blickte auf. »Was starrst du mich denn so an?«, schnaubte er wutentbrannt.
Ich schüttelte hilflos den Kopf. »Das tue ich gar nicht, Sir.«
»Das will ich dir verdammt noch mal auch geraten haben, falls du nicht eine Nacht im Keller verbringen willst. Freche kleine Luder, ihr allesamt. Jetzt verschwinde, bevor es Prügel setzt!«
Er griff nach dem Lineal. Schluchzend schlich ich mich zur Tür und riss sie mit einem Ruck auf. Auf dem dunklen Treppenabsatz lehnte ich mich mit pochendem Herzen an die Wand. Der Schokoladengeschmack klebte in meinem Mund. Von unten drang ein Lichtschimmer herauf.
»Warst wohl dem Apotheker bei seinen Studien zur Hand, was?«
Vor mir stand Edgar, ein flackerndes Binsenlicht in der Hand. Ein Grinsen spielte um seine Lippen.
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht«, gab ich mit allem Hochmut zurück, dessen ich fähig war, aber Edgar mit seinen Habichtsaugen spürte genau, wann er sich auf ein hilfloses Opfer stürzen konnte.
»Pass bloß auf, dass du dein Mieder wieder zugeschnürt hast, bevor die Herrin dich sieht«, meinte er gedehnt und stocherte dabei mit einem Schlüssel im Schloss seiner Tür. »Ich mag gar nicht daran denken, was aus dir werden würde, wenn sie deinem schmutzigen Treiben auf die Spur käme.«
»Halt dein dreckiges Maul, bevor ich es dir stopfe«, sagte ich. »Für wen hältst du mich eigentlich?«
»Oh, lass mich mal nachdenken«, gab Edgar zurück. »Für eine billige Schlampe, die im Haus eines Apothekers weilt, in der Hoffnung, dass er ihr aus der Patsche hilft?«
Er warf mir mit verächtlicher Miene einen Kuss zu und schloss die Tür hinter sich. Auf dem Treppenabsatz war es wieder dunkel, aber das Echo seines Gelächters hing noch in der eisigen Luft.
Mr Johanssen, Apotheke zur Goldenen Hirschkuh in Cornhill
Verehrter Mr Johanssen,
Ihren Brief habe ich heute mit der Morgenpost erhalten.
Ich darf annehmen, Sir, dass wir beide als Männer der Wissenschaft langer Reden & eitler Metaphern abhold sind. Daher, so bin ich mir gewiss, werden Sie es zu schätzen wissen, wenn ich Ihnen meine Ansichten mit äußerster Freimütigkeit darlege.
Genau wie Sie bringe ich der Royal Society höchste Wertschätzung entgegen. Doch anders als Sie habe ich mich von der Respektlosigkeit, mit der Apotheker stets (& häufig grundlos) von Ärzten & ihresgleichen behandelt werden, nicht einschüchtern lassen. & anders als Sie glaube ich nicht, dass es mir an Denkvermögen fehlt, nur weil ich mir nicht in Frankreich einen akademischen Titel erkaufte & auch keinen willfährigen Bischof zur Hand habe, den man (mithilfe einer gewissen Geldsumme) dazu überreden könnte, dass er mir die Auszeichnung des Doktors der Medizin verleiht. Ich darf Sie daran erinnern, dass
Weitere Kostenlose Bücher