Der Apotheker: Roman (German Edition)
eines Metzgers vielleicht oder eines Scherenschleifers, derb geworden durch die Tätigkeit, die er ausübte, und durch grobschlächtige Gedanken. Seine Übellaunigkeit war unübersehbar.
»Es steht Ihnen wohl kaum zu, Sir, mir vorzuschreiben, wem gegenüber ich mich großzügig zeige«, sagte der Mann kurz angebunden.
»Ganz im Gegenteil«, murmelte mein Herr. »Ich betrachte es als meine Pflicht, Ihren Geldbeutel gegen all die Elendsgeschichten in der Gemeinde in Schutz zu nehmen.«
»Und wie steht’s mit Ihnen? Sich selbst würden Sie nicht zu den Bedürftigen rechnen, oder?«
Das Mal auf der Wange meines Herrn wurde dunkler.
»Wenn Ihr Verstand so groß wäre wie Ihre Unverschämtheit, Sir«, zischte er, »würde ich Sie als einen würdigen Gönner betrachten. Aber wie die Dinge liegen …«
Dem Metzger verschlug es für einen Augenblick die Sprache. »Um Himmels willen«, sagte er schließlich. »Wir wollen doch nicht streiten. Aber wir brauchen Ergebnisse, verstehen Sie das denn nicht? Ich möchte nicht als ein Narr dastehen.«
»Bei allem Respekt, Sir, da kann ich wenig ausrichten. Nur ein Narr glaubt, dass man Gottes Geheimnisse wie einen Apfel vom Baum pflücken kann!« Mr Black schlug mit der Faust auf den Türpfosten. »Ich bin ein Mann der Wissenschaft, Sir, kein mechanisches Äffchen, das man mit einem Schlüssel im Rücken aufzieht und zum Amüsement Ihrer verdammten Kollegenschaft tanzen lässt.«
»Ach, wirklich? Und trotzdem wollen Sie mich zum Affen machen? Guten Tag, Sir. Bemühen Sie sich nicht, ich finde allein hinaus.«
Die Schritte des Metzgers hallten auf der Treppe. Der Apotheker blieb regungslos stehen, schwer und laut atmend, die geballte Faust immer noch am Türpfosten. Mir war vom Stehen schon ganz schwindelig, und ich versuchte, mich davonzustehlen. Eine Diele knarrte. Der Apotheker hob den Kopf. In der durch kein Fenster erhellten Dunkelheit klaffte ein schwarzes Loch an seiner Wange, und die Augen in seinem versehrten Gesicht blitzten. Ich drückte mich in den Schatten gegen die Wand.
»Glaub nur nicht, dass du ungeschoren davonkommst«, sagte er zwischen den Zähnen. »Sieh dich an, du Unverschämte, dich kümmert das Unheil nicht, das du anrichtest. Aber ich versichere dir, ein hübsches Gesicht kann ein hinterhältiges Herz ebenso wenig verbergen wie ein hübsches Tuch, das man über eine Jauchegrube legt. Du bist verderbt, verderbt bis ins Fleisch. Es stinkt bis hierher.«
Sein verunstaltetes Gesicht kam bedrohlich nah, die Hand hatte er immer noch zur Faust geballt, und ich roch seinen rauchig verbrannten Atem. Ich duckte mich unter seinem erhobenen Arm und floh.
An jenem Nachmittag, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, starb der Säugling. Als ich es erfuhr, weinte ich wie ein Kind. Mary lag neben mir, sie hatte mir ihren Arm um den Hals gelegt, und ihre Tränen vermischten sich mit den meinen. Ich klammerte mich an sie wie ein Äffchen an seine Mutter, meine Finger in ihrem Haar festgekrallt. Es heißt, wenn eine Amme ein Kind mit der Milch ihrer Brust säugt, überträgt sie ihre Wesenszüge auf den Säugling. Meine Mutter hatte ihren vermögenderen Patientinnen, die sich eine Amme leisten konnten, oft geraten, keine Amme von grober oder gewalttätiger Wesensart zu nehmen. Und wie stand es mit einer von Sünde besudelten Amme?
Dem kindlichen Leichnam gönnte man keinen Sarg. Er wurde in Wachspapier gewickelt wie ein toter Fisch. Falls der Säugling einen Namen hatte, so habe ich ihn nie erfahren. Denke ich heute an ihn, so trägt er für mich den Namen Daniel, obwohl es ein Mädchen war.
Hewlitt & Bain, Rechtsanwälte, Newcastle
Sehr geehrter Herr,
hiermit bestätigen wir den Erhalt Ihres Briefes vom 11 . Juli 1719 & haben, wie Sie es wünschen, unserem Mandanten Ihre Bitte vorgetragen.
Wir bedauern jedoch, Ihnen mitteilen zu müssen, dass unser Mandant nicht bereit ist, einer Änderung des gegenwärtig geltenden Vertrags zuzustimmen. Zwar erkennt er durchaus, welche Schwierigkeiten Ihnen aus dieser Vereinbarung erwachsen, aber er möchte darauf hinweisen, dass auch er sich in einer schwierigen Lage befindet, da sich die Verhandlungen bezüglich der bevorstehenden Vermählung seines Sohnes durchaus heikel gestalten.
Seit Bekanntgabe des Heiratsaufgebots hat die Mutter des Mündels, Eliza Tally, bereits mehrfach versucht, den Ruf & Besitz meines Mandanten zu schädigen. Auch wenn diese Drohungen vor Gericht kaum Bestand haben dürften, würde mein Mandant es
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