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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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sich in den Schaukelstuhl plumpsen und kratzte sich unablässig. Mir war, als müsste ich ertrinken. Ich griff nach den Eimern und scheuchte sie hoch.
    »Los, wir gehen Wasser holen.«
    Mary schüttelte den Kopf und drückte ihre fleischigen Finger in die Achselhöhlen. »Pumpe aus.«
    Natürlich hatte sie recht. Während der Hitze war die Pumpe so gut wie versiegt, und das bisschen Wasser, das es noch gab, kam nur tröpfchenweise und nicht einmal so lange, wie die Glocken benötigten, um die halbe Stunde zu schlagen.
    »Wir gehen nicht zur Schwengelpumpe, sondern zum Fluss.«
    Mary sah mich mit offenem Mund an. In der ganzen Zeit, die ich hier in der Swan Street war, hatte ich mich kein einziges Mal bis zum Fluss gewagt, obwohl er kaum vier Straßen entfernt war. Um die Wahrheit zu sagen, ich fürchtete mich davor. Man munkelte, an den Kais herumlungernde, unvorsichtige Kinder würden verschleppt und als Sklaven in fremde Länder verkauft. Berüchtigt waren auch die Fährleute für ihre derbe und gotteslästerliche Ausdrucksweise, die die Londoner als Wassersprache bezeichneten. Edgar hatte sogar behauptet, der Fluss selbst sei verflucht und niemand, der in seine tückischen Fluten fiel, sei je wieder aufgetaucht. Auch wenn ich ihm seine Schauermärchen nicht abkaufte, stellte ich mir den Fluss als eine aufgewühlte schwarze, ölige Brühe vor, in der gelegentlich fleischlose Knochen und Zähne aufblitzten, bevor sie von der nächsten Welle weiter Richtung Meer befördert wurden.
    »Das Flusswasser ist angeblich recht sauber«, sagte ich leichthin. »Los, gehen wir.«
    Ich schob Mary vor mir her die Stufen zur Gasse hoch. Der Drang, endlich das Haus zu verlassen, war stärker als alle anderen Überlegungen. In meiner Hast wäre ich fast über ein Schwein gestolpert, das träge in einem stinkenden Abfallhaufen herumschnüffelte. Ich versetzte ihm einen Tritt, worauf es sich ärgerlich grunzend davontrollte. Die Gassen waren eng und voller Staub und Schatten. Unter einem schmalen Streifen weißen Himmels reihten sich die rostigen Ladenschilder wie Wäsche auf einer Leine aneinander. Kein Lüftchen regte sich. Je näher wir der Uferböschung kamen, desto stärker roch es nach Salz, Schlamm und fauligem Fisch.
    Plötzlich standen wir vor einer dichten Zeile von Lagerhäusern, und dahinter glitzerte und schimmerte es. Ich drängte vorwärts, zu den Kais, bis ich am Ende eines schmalen Anlegestegs stand, dessen graue Planken von der Sonne rissig und verbogen waren. Und selbst von hier aus war vom Fluss kaum etwas zu sehen, denn auf ihm tummelten sich Ruder-, Segel- und Fährboote, Last- und Frachtkähne in allen Größen und Formen, die auf den Strom mit einem Sperrfeuer von Rudern einhackten. Es war ein lärmendes, buntes Farbspektakel aus Grün, Rot und Mattgold, dazwischen mit Girlanden und Blumen geschmückte Barkassen. Von allen Seiten schwirrten unflätige Ausdrücke durch die Luft, widerwärtig wie der Schlick und das faulige Unkraut an den Pfeilern der Kais.
    Das ganze Ufer entlang, so weit das Auge reichte, standen auf unzähligen Treppen, Landungsbrücken und Pontons Menschen, die irgendwelchen Booten Zeichen gaben, sie überzusetzen. Keine zwanzig Schritte von mir entfernt entlud ein Trupp Männer einen Schleppkahn. Seine Kohlenladung drückte ihn so tief ins Wasser, dass der schnörkelige Namenszug an der Schiffswand von der braunen Brühe halb verdeckt war. Ein Kind mit verschlagener Miene und so schmutzverkrustet, dass es aussah wie sein eigener Schatten, flitzte zwischen den Beinen der Kohlenträger hin und her und stürzte sich auf die herabfallenden Brocken, die es in den Schößen seines zerlumpten Hemdes sammelte.
    Ich nahm den Lärm in mich auf, ließ mich von ihm überwältigen. Hinter mir rief jemand etwas und deutete mit dem Finger. Ich wandte den Kopf stromabwärts in besagte Richtung. Blinzelnd versuchte ich mir einen Reim auf das zu machen, was sich meinem Auge bot. Denn dort wurde der Fluss nicht von einer schlichten Brücke überspannt, sondern von einer ganzen Straße mit Häusern, hübschen, eleganten, mehrstöckigen Gebäuden, in deren Fenstern sich das gleißende Sonnenlicht spiegelte, und mit Stützpfeilern, die sich wie mächtige Schenkel gegen die braunen Fluten stemmten – frech und unverschämt, als gälte es, lediglich über eine schmutzige Pfütze zu setzen.
    London Bridge is broken down, broken down, broken down. London Bridge is broken down, my fair lady. Bricks and mortar will

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