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Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition)

Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition)

Titel: Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Solschenizyn
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wie man ansteckende Krankheiten, ohne es zu wissen, weitergibt: durch Händedruck, Atem oder verseuchte Sachen, so übertrug ein Mitmensch durch Händedruck, Atem, eine zufällige Begegnung die Keime der unvermeidlichen Verhaftung. Denn wenn es dir bestimmt ist, morgen die Bildung einer Untergrundgruppe zwecks Vergiftung der städtischen Wasserleitungen zu gestehen, dann bin ich, der ich dir heute auf der Straße die Hand gereicht habe, ebenfalls verloren.

    Der Rückausstoß des Jahres 1939 war in der Geschichte der Organe ohne Präzedenz, ein dunkler Flecken auf ihrer Reputation! Im übrigen war dieser Gegenstrom nicht groß, ein bis zwei Prozent der früher Verhafteten, so sie noch nicht verurteilt, noch nicht weit fortgebracht, noch nicht gestorben waren. Klein, aber geschickt genutzt war der Strom: Für einen kassierten Rubel kam eine Kopeke Wechselgeld zurück, notwendig, um alles auf den schmutzigen Jeschow abzuschieben, um den in sein Amt eintretenden Berija zu stützen und des Einzigen Glorie noch stärker erstrahlen zu lassen. Mit dieser Kopeke wurde der verbleibende Rubel bis zum Rand in die Erde getrieben. Denn wenn nun «eruiert und freigelassen» wurde (selbst die Zeitungen meldeten furchtlos einzelne Verleumdungen), dann hieß das soviel, daß die übrigen Verhafteten ganz sicher Schufte waren! Die Rückkehrenden aber schwiegen. Sie hatten unterschrieben. Sie waren stumm vor Angst. Und kaum einer erfuhr kaum etwas über die Geheimnisse des Archipels.
    Nebenbei bemerkt, wurde diese Kopeke alsbald wieder einkassiert – in denselben Jahren, gemäß denselben Punkten des unerschöpflichen § 58. Wem ist schon, zum Beispiel, der Strom der sich nicht von ihren Männern lossagenden Frauen im Jahre 1940 aufgefallen? Wer erinnert sich schon – nicht einmal in Tambow selbst –, daß dort in diesem friedlichen Jahr eine komplette Jazzkapelle (sie spielte im Kino Modern ) verhaftet wurde – alles entlarvte Feinde des Volkes? Wer bemerkte die 30 000 Tschechen, die 1939 aus der besetzten Tschechoslowakei ins blutsverwandte slawische Reich flohen? Wer hätte garantieren sollen, daß nicht irgendeiner ein Spion war? Sie wurden allesamt in nördliche Lager gebracht (von woher dann in den Kriegsjahren das Tschechische Korps auftaucht). Na, Moment mal, gestatten Sie, war’s nicht 1939, als wir den Westukrainern, Westbjelorussen und dann 1940 den Balten und Moldauern unsere freundschaftliche Hilfe anboten? Unsere Brüder erwiesen sich gleich als total ungesäubert, und es begannen die Ströme der sozialen Prophylaxe zu fließen. Man schnappte die allzu Begüterten und Einflußreichen, in einem Aufwaschen auch die allzu Selbständigen, allzu Klugen, allzu Prominenten; in den früheren polnischen Gebieten zuhauf die Polen (damals wurde der Grundstock für das berüchtigte Katyn angeworben, damals in den Lagern des Nordens das Fundament für die zukünftige Sikorski-Anders-Armee gelegt). Überall wurden die Offiziere ausgehoben. Auf solche Weise durchgerüttelt, verstummte die Bevölkerung; die möglichen Führer eines Widerstands waren ihr genommen. Umsicht und Vorsicht wurden zur Lebenshaltung, frühere Beziehungen, frühere Bekanntschaften verkümmerten.
    Finnland ließ uns die abgetretenen Gebiete ohne Bevölkerung zurück, dafür wurden in Karelien und Leningrad im Jahre 1940 alle Personen finnischer Herkunft ausgehoben und zwangsumgesiedelt. Wir haben dieses Bächlein nicht bemerkt: Uns fließt kein finnisches Blut in den Adern.
    Im selben Finnischen Krieg wurde der erste Versuch gestartet, unsere in Gefangenschaft geratenen Soldaten als Landesverräter vor Gericht zu stellen. Der erste Versuch in der Geschichte! – und siehe da, wir haben ihn gar nicht bemerkt!
    Die Probe war vorbei, da begann auch schon der Krieg und mit ihm der grandiose Rückzug. Eile tat not, aus den westlichen Republiken, bevor der Feind kam, in wenigen Tagen zusammenzuputzen, was dort noch zu holen war. In Litauen waren beim überstürzten Aufbruch ganze Militäreinheiten, Regimenter, Flak-und Artillerieabteilungen zurückgelassen worden – nicht versäumt wurde der Abtransport von einigen Tausend Familien unzuverlässiger Litauer (später warf man viertausend von ihnen im Krasnojarsker Lager den Urkas – den Kriminellen – zum Ausplündern vor). Vom 28. Juni an wurden in Lettland und Estland eiligst Verhaftungen durchgeführt. Doch es brannte der Boden unter den Füßen, und der Rückzug war noch eiliger. Es wurden ganze Festungen, so

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