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Der Archipel in Flammen

Titel: Der Archipel in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sich also andauernd; ganz ohne Zweifel war ihm, wenn auch noch einige Zeit darüber hinginge, die Unabhängigkeit sicher.
    Am 30. April war die Korvette bis zu den äußersten Grenzen des Golfs von Saloniki vorgedrungen, dem äußersten Punkte, den sie während dieser Kreuzfahrt im Nordwesten des Archipels erreichen sollte. Hier bekam sie noch Gelegenheit, Jagd auf ein paar Schebecken, Senalen und Polakren zu machen, die sich durch Flucht auf den Strand vor ihr retten konnten. Ging auch die Mannschaft dieser Fahrzeuge nicht bis auf den letzten Mann zu Grunde, so wurden doch wenigstens die Schiffe außer Fahrt gesetzt.
    Die "Syphanta" schlug nun die Richtung nach Südosten ein, um die Südküste des Golfs von Saloniki abzusuchen. Aber wahrscheinlich war dort rechtzeitig Alarm geschlagen worden, denn kein einziger Korsar kam in Sicht. Da trug sich ein seltsames, schier unerklärliches Vorkommnis an Bord der Korvette zu.
    Am 10. Mai sah Kommandant d'Albaret, als er in das Mannschaftsquartier trat, das sich unter dem ganzen Hinterdeck erstreckte, auf dem Tisch einen Brief liegen. Er nahm ihn, trat an die Hängelampe, die sich an der Decke schaukelte, und las die Aufschrift. Dieselbe lautete:
    "An den Kapitän Henry d'Albaret, Kommandant der Korvette "Syphanta". Auf See."
    Henry d'Albaret meinte diese Handschrift zu kennen: sie ähnelte nämlich derjenigen des in Scio an ihn gelangten Schreibens, durch das ihm Nachricht gegeben worden war, daß an Bord der Korvette eine Stelle im Offizierkorps zu besetzen sei. Der Inhalt dieses unter so eigentümlichen Umständen, unter Umgehung der Post, an ihn gelangten Briefes lautete wie folgt:
    "Wenn Kommandant d'Albaret seine Fahrt durch den Archipel so einrichten würde, daß er in der ersten Septemberwoche vor der Insel Scarpanto kreuzte, würde er im Interesse aller ihm Unterstellten und zum Besten der ihm anvertrauten Interessen handeln."
    Kein Datum und keine Unterschrift, ganz wie bei dem in Scio an ihn gelangten Briefe. Als Henry nun beide Handschriften miteinander verglich, konnte er sich vergewissern, daß beide von der gleichen Hand herrührten.
    Wie war das zu erklären? Den ersten Brief hatte er durch die Post erhalten. Aber diesen Brief konnte nur jemand an Bord auf die Mannschaftstafel gelegt haben! Entweder mußte ihn dieser Jemand also seit Anbeginn der Fahrt in seinem Besitze gehabt haben, oder er war ihm an einem der Plätze, wo die "Syphanta" zuletzt vor Anker gelegen, eingehändigt worden. Ferner: vor einer Stunde, als der Kapitän durch das Quartier gegangen war, um seine Anordnung für die Nacht auf dem Deck zu treffen, hatte der Brief noch nicht dort gelegen, war also seit knapp einer Stunde erst dorthin gelegt worden.
    Henry d'Albaret klingelte.
    Ein Bootsmann erschien.
    "Wer ist hier gewesen, so lange ich auf Deck war?" fragte Henry d'Albaret.
    "Niemand, Kommandant," versetzte der Bootsmann.
    "Niemand? ... Aber es hat doch niemand hereingelangen können, ohne daß du ihn gesehen hättest?"
    "Niemand, Kommandant! denn ich bin keinen Augenblick von der Tür gewichen."
    "Es ist gut!"
    Der Bootsmann griff an die Mütze und verschwand.
    "Daß ein Mann von Bord durch die Tür hätte hereinkommen können, ohne gesehen worden zu sein, erscheint mir selber tatsächlich nicht möglich. Aber kann nicht jemand bei sinkendem Tage bis zur äußeren Galerie gerutscht und zu einem Fenster des Quartierraums eingestiegen sein?"
    Henry d'Albaret untersuchte die Luken, die nach dem Spiegel der Korvette zu lagen. Aber dort sowohl wie in seiner Kabine waren die Fenster von innen geschlossen. Es war also ganz ausgeschlossen, daß jemand von draußen zu einem Fenster hinein hätte gelangen können.
    Im großen und ganzen war die Sache nicht danach beschaffen, Beunruhigung zu wecken, höchstens Ueberraschung, vielleicht auch jene Empfindung ungestillter Neugierde, die man einem schwer erklärlichen Vorgang gegenüber bekommt. Soviel stand zum wenigsten fest, daß der anonyme Brief in seine Hände gespielt worden war und daß er an keinen andern als an den Kommandanten der "Syphanta" hatte gelangen sollen.
    Nach einiger Ueberlegung kam Henry d'Albaret zu dem Schlusse, daß es am klügsten sei, von der Sache niemand, auch nicht seinem zweiten Offizier, etwas zu sagen. Was hätte das nützen sollen? Zu erkennen gegeben hätte sich der geheimnisvolle Briefschreiber, gleichviel wer es war, doch ganz gewiß nicht!
    Und wie sollte er sich nun zu dem Inhalt des Briefes stellen? sollte er

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