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Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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dann …« Ihre Stimme wurde leiser. »… hat er sehr deutlich gemacht, dass ich es für mich behalten muss.« Sie drehte sich auf den Rücken. »Du kannst dir nicht vorstellen, worum es bei ihm geht, Ben.«
    Ben spürte das Pochen seines Herzens in den Ohren. »Was für Dinge? Wovon redest du?«
    »Er steckt voller Hintergedanken, Ben. Du kannst ihm nicht trauen.«
    Ben wischte sich über die brennenden Augen. »Er sitzt im Gefängnis, Lillian. Wieso hast du Angst? Wovor? Was soll er denn machen?« Er verstand einfach nicht, was sie sagte.
    Sie antwortete nicht. Ben sah zu ihr hoch, sie lag noch immer auf dem Rücken. Er richtete sich auf, schob sich zu ihr auf das Bett. »Du brauchst keine Angst zu haben«, flüsterte er. »Das kommt dir vielleicht albern vor, aber wenn etwas ist, kannst du mich jederzeit anrufen.«
    Sein Blick wanderte über ihr Profil. Es verlockte ihn, mit der Fingerspitze über den Rücken ihrer Nase zu streichen, aber er zwang sich, es nicht zu tun. »Was für Hintergedanken, was meinst du denn?«
    Sie drehte sich zu ihm. Ihre Augen waren dicht vor seinen, ließen sich von ihm anblicken und schienen zugleich ein wenig zu schimmern. »Julian ist ein merkwürdiger Mann, Ben.«
    »Ach ja!« Ben richtete sich auf. Er mochte es nicht, wie sie ›Julian‹ sagte. »Vielleicht gar nicht mal so sehr. Vielleicht will er nur so wirken, Lillian.« Als er sie ansah, bemerkte er, dass es ihm nicht gelungen war, ihr die Angst zu nehmen. Es ärgerte ihn. Wieso fürchtete sie sich vor Götz, obwohl er weggesperrt war?
    Sanft legte er seine Hand auf ihre. Vielleicht gelang es ihm ja doch, sie ein wenig zu beruhigen. Er sah, wie sie die Augen schloss.
     
    Im Kühlschrank lagen zwei Flaschen. Aber er hatte jetzt keine Lust auf Sekt. Ihm war nach etwas Stärkerem zumute. Er griff nach der Whiskyflasche, die neben dem Sekt lag, und kehrte mit zwei kurzen, dicken Gläsern ins Schlafzimmer zurück.
    Lillian hatte die Beine angezogen, den Kopf auf ein Kissen an der Wand gestützt.
    »Auch einen?« Ben schwenkte die Flasche.
    Sie nickte. Er stellte die Gläser auf ihre schmale Frisiertoilette und schenkte zwei Finger hoch ein. »Hier.« Er reichte ihr das Glas. Hob seines kurz in die Höhe. Kippte den Drink.
    Lillian balancierte ihren auf dem Bauch. »Hast du schon mal was von Caspar Janson gehört«, sagte sie plötzlich und sah Ben an.
    »Götz’ alter Freund? Ja, von ihm war im Prozess die Rede.«
    »Es muss etwas sein, an dem er mit Caspar früher gearbeitet hat. Das hat er mal erwähnt.«
    Ach ja?
    »Es hat großen Eindruck auf ihn gemacht …«
    »Was?«
    »Ich weiß nicht genau, was es war.« Sie schwenkte das Glas mit der goldenen Flüssigkeit. »Aber es muss etwas gewesen sein, das Julian nicht mehr losgelassen hat.«
    »Hm.« Ben nahm auf dem Hocker vor der Frisiertoilette Platz, griff nach der Whiskyflasche und schenkte sich erneut ein.
    »Er hat mal gesagt, es hat damit zu tun, wie ein Gebäude auf seine Bewohner wirkt. Dass die Gestaltung eines Baus sozusagen die Stimmung, die Seele derjenigen infizieren, ja, geradezu anstecken kann, die sich darin aufhalten. So, wie es uns anstecken kann, wenn uns jemand anlächelt. Ganz automatisch. Wie die Stimmung in einem Stadion uns anstecken kann.«
    »Darüber hat er mit Caspar gearbeitet?«
    Sie nickte, stellte das noch unberührte Glas ab und stützte sich mit den Armen auf der Tagesdecke auf. »Ich weiß, wie gesagt, nicht genau, was es war, aber es hat Götz beschäftigt. Mit mir hat er darüber geredet, dass bestimmte Phantasien ansteckend sind.«
    »Was für Phantasien?« Ben starrte sie an.
    »Na, was wohl?«
    Ihre Lippen hatten sich ein wenig geöffnet.
    »Sexphantasien.«
    Als sie ausatmete, hörte es sich für Ben einen Augenblick lang so an, als würde sie leise aufstöhnen. »Die Phantasien, die Götz hatte, waren jenseits von allem, was ich mir jemals hätte vorstellen können.«
    Ben hatte die Flasche nicht wieder zugeschraubt, goss sich nach.
    »Gewaltphantasien, verstehst du? Es hatte mit Einschränkungen der Beweglichkeit zu tun, mit der Rolle des Opfers, bestimmten Abläufen, Steigerungen. Es ging um Verzicht, um Verzögerungen, darum, zu locken, zu enttäuschen, zu hoffen, und darum, Enttäuschungen wieder aufzuheben. Das eine zu erleben und das andere zu gewähren …«
    Ben hatte das Gefühl, als hätte sich beim Reden ein hauchdünner Schweißfilm über ihrer Oberlippe gebildet.
    »Er hat diese Phantasien über Tage hinweg entwickelt,

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