Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
Vom Netzwerk:
sehen konnte.
    Sie hockte sich vor die zerbrochene Flasche, er sah ihre Hand mit dem Lappen über den Boden wischen. Dann rauschte es. Er spürte ihre Haare unter seiner Hand, sah ihre Augen aufleuchten, den Mund, der sich öffnete.
    »Vielleicht ist es besser, du gehst jetzt«, sagte sie und blickte auf. Ben keuchte. Er stand noch immer am Tisch, hatte sich nicht bewegt, das Geld hinter sich.
    »Ja.«
    Sie richtete sich auf. »Was soll das denn?« Ihre Augen blinkten genervt. Sie hatte die Scheine hinter seinem Rücken auf dem Tisch entdeckt.
    Ben wurde regelrecht rot. »Ich …« Plötzlich musste er lachen. »Hatten wir nicht zwei Treffen verabredet?«
    Ihr Ärger verflog, sie lächelte. »Steck das Geld ein, Ben.«
    Es gelang ihm, vorsichtig nach der Hand zu greifen, in der sie den Lappen hielt. »Lillian, ich weiß, es ist fast schon lächerlich … Ich habe den ganzen Tag an dich denken müssen –«
    »Das hast du schon gesagt.« Sie entwand ihre Hand seinem Griff. »Hör zu, Ben, die Sache mit Götz reicht mir vollkommen. Ich dachte, es wäre eine Art Auftrag, als wir uns gestern getroffen haben. Auch wenn du glaubst, du wüsstest jetzt alles über mich: Du weißt überhaupt nichts, und ich habe nicht vor, mich von nun an regelmäßig mit dir zu treffen. Steck das Geld ein, oder ich werde ärgerlich.«
    Ben hockte sich auf den Boden und begann die Scherben aufzusammeln, die sie liegen gelassen hatte, als sie sich aufrichtete. Einen Moment lang sah sie ihm stumm zu.
    »Lillian«, die Worte kratzten in seinem Hals, »ich habe so etwas noch nie gemacht. Ich will dich nicht beleidigen.« Er wandte den Blick nicht von den Glassplittern ab, die er vom Parkettboden aufklaubte und in der hohlen Hand sammelte. »Ich … wie viel … nein, ich will das nicht sagen.« Er hob den Kopf, sah sie über sich stehen. »Ich will dich, Lillian. Das ist nichts Böses. Die Nacht im Hotel gestern, ich habe so etwas noch nicht erlebt. Ich will dich spüren, will deine Haare berühren. Dich riechen, streicheln, küssen, mit meinen Fingerspitzen über deine Haut gleiten.«
    Sie sah auf ihn herab.
    Er schloss die Hand, die er offen gehalten hatte. Das Glas schnitt ihm in die Haut, es war ihm egal. »Ich will mit der Handfläche über deine Hüfte fahren, die Kühle deiner Pobacken an meinem Bauch spüren.« Die Worte drangen aus ihm hervor. Er wusste, dass er sich zwingen konnte, sie für sich zu behalten, aber das wollte er nicht. Er ließ sie fließen, strömen, denn er verlangte nach ihr.
    Das Blut tropfte aus seiner geschlossenen Hand auf den Boden. Er sah, dass sie es bemerkt hatte.
    »Ich hab Angst, Ben«, sagte sie leise. »Bitte geh jetzt.« Sie wandte sich ab und lief aus dem Zimmer.
     
    ›Warum hat sie mich zu sich nach Hause gebeten?‹, hämmerte es in seinem Schädel, während er in der Küche stand und kaltes Wasser über die Innenfläche seiner verletzten Hand laufen ließ. Am Ende des Flurs, der vom Wohnzimmer kam und an der Küche vorbeiführte, hatte eine Tür geschlagen. Er vermutete, dass sie in ihr Schlafzimmer gegangen war. Wahrscheinlich hatte sie Erfahrung mit solchen Situationen. Wusste, dass es rasch eskalieren konnte, wenn man versuchte, so jemanden wie ihn hinauszuwerfen.
    Ben drehte den Wasserhahn zu. Warum ging er nicht einfach? Was war los mit ihm? Warum ließ er sie nicht endlich in Ruhe? Er sah sich nach etwas um, womit er sich die Hand verbinden konnte. Ein Geschirrtuch wollte er nicht nehmen. Kurzerhand riss er einen Streifen von einer Küchenrolle ab und wickelte ihn um die Hand.
    Als er die Tür zu ihrem Schlafzimmer öffnete, lag sie mit dem Gesicht auf dem Bett, das mit einer Tagesdecke zugedeckt war.
    Er sah die Wölbung ihres Gesäßes, die Schultern, die Haare und fühlte, wie der Drang unbezwingbar wurde.
    »Warum hast du Angst, Lillian? Vor wem? Vor mir?« Er kniete neben ihrem Bett, bemerkte, dass ihr Kopf auf der Seite lag und ihre Augen durch die Haare hindurch zu ihm schauten.
    »Nicht vor dir, Ben.«
    »Vor wem dann?«
    »Vor Julian.«
    »Deshalb hast du dich bereit erklärt, für ihn auszusagen? Aus Angst?« Da war er wieder, der Schwindel, sein Sichtfeld schien sich einzuwölben, zu fließen.
    Sie nickte.
    »Warum? Was ist mit Götz?«
    »Er ist ein gefährlicher Mann, Ben.«
    Ben ließ sich gegen das Bett sinken.
    »Er hat mir Dinge erzählt, die ich nicht wissen wollte. Aber er hat sie mir trotzdem anvertraut. Was weiß ich, um sich mächtig zu fühlen, nehme ich an. Und

Weitere Kostenlose Bücher