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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist er, Iwanow! Hier! Komm doch, Brüderchen! Schlag den alten Affen nieder und komm!«
    Worotilow stürzte in das Zimmer … er riß Sellnow hoch und küßte ihn auf beide Wangen. Er war stiller als Doktor Kresin … er sprach kein Wort, sondern drückte dem Arzt stumm die Hand. In diesem Händedruck lag alles, was er sagen wollte, aber vor Erschütterung nicht hervorbrachte.
    In der Tür erschien Professor Taij Pawlowitsch. Sein Gesicht war gelber als je, es war verzerrt zur Fratze des Irrsinns. In der Hand hielt er eine Pistole.
    »Fort!« kreischte er. »Das ist mein Haus! Das ist ein Haus des Staates! Ich habe den MWD rufen lassen! Ihr Untermenschen! Ihr Soldatenschweine! Ihr Hurensöhne! Ihr Auswurf! Ihr Mißgeburten!«
    Worotilow lachte. Er drehte sich um und riß dem Alten die Pistole aus der Hand. Sofort verschwand der Kopf. Man hörte ihn auf dem Gang nach seinen Ärzten rufen.
    Dr. Kresin hatte sich nach dem Verschwinden Pawlowitschs auf den Flur begeben und verlangte an einem der Stationstelefone das Staatsamt Stalingrad. Von dort forderte er die Verbindung zum General der Division. Und während Taij Pawlowitsch auf das Eintreffen des Geheimdienstes wartete, sprach Dr. Kresin mit dem General und berichtete die Vorfälle in der Klinik. »Der deutsche Arzt ist ein Gefangener unseres Lagers!« sagte er. »Er wird bei uns geführt und wurde von uns in Moskau zur Entlassung gemeldet. Er hat bereits seine Transportnummer! Wenn ich nach Moskau melde, daß ein zur Entlassung Kommandierter von einem russischen Arzt gefangengehalten und verborgen wird, dann gibt es ein Drama in Stalingrad. Wenn ich Moskau ferner melde …«
    »Nehmen Sie den Mann mit!« sagte der General und hängte an. »Wenn ich Moskau melde …«, war ein Zauberwort. Es gab nichts, was mehr gefürchtet wurde als eine Meldung nach Moskau. Denn der Kreml kannte keine Gnade … er hatte Generäle, Minister, Vertraute gestürzt … Wer Moskau namentlich bekannt war, unangenehm bekannt, der hatte nichts zu erwarten als den Untergang. Befriedigt legte Dr. Kresin den Hörer auf. Er kam ins Zimmer zurück und umarmte Sellnow.
    »Du kommst mit, mein Junge. Ich habe dich freibekommen! Zu Hause hast du vier Karten von deiner Frau und einige Pakete mit allem, was du dir wünschst.«
    Sellnow sah sich um. Er hatte keine Koffer zu packen … er besaß nichts als das, was er auf dem Leib trug. »Weiß es Alexandra?« fragte er.
    »Daß du kommst? Nein! Sie wird verrückt werden, wenn sie dich sieht!«
    »Daß ich Karten habe. Von meiner Frau …«
    »Nein. Worotilow hat sie bei sich eingeschlossen.«
    »Aber sie muß es einmal erfahren.«
    Dr. Kresin nickte. »Wenn du fort bist …«
    »Fort?!« Sellnow sah von Kresin zu Worotilow. Das Leuchten in ihren Augen machte ihn zittern. »Was habt ihr? Was wißt ihr denn? So sagt doch was!«
    »Wenn der Frühling kommt, fährst du weg, Werner, in die Heimat zurück … du hast schon deine Transportnummer …«
    Sellnow schloß die Augen. Er schwankte … er hielt sich an der Stuhllehne fest. Sein Gesicht war totenbleich. »Nach Deutschland …«, stammelte er. »Wir werden wirklich entlassen … Es ist wirklich wahr … Nach acht Jahren …«
    »Ja.«
    »Und Fritz? Dr. Böhler?«
    Kresin wechselte einen schnellen Blick mit Worotilow. Der nickte kurz.
    »Dr. Böhler auch!« log Dr. Kresin.
    »Dann kommen wir alle zusammen zurück nach Deutschland?«
    »Ja.«
    »Auch Dr. Schultheiß?«
    »Er auch.«
    Sellnow wischte sich über die Augen. Sein Handrücken war feucht … er rieb ihn an der Hose ab. »Ich kann es noch nicht glauben«, stotterte er. »Ich kann meine Frau wiedersehen … das Kind … Ich komme wirklich aus dieser Hölle heraus …?«
    Dr. Kresin lachte rauh. »Er wird schon wieder frech!« sagte er zu Worotilow. »Er nennt unser Mütterchen eine Hölle. Wenn der Kerl frech wird, ist er auch gesund! Gott verdammt noch mal … endlich hat man wieder einen im Lager, mit dem man schimpfen kann. Es war stinklangweilig ohne Sie, Sellnow …«
    Lachend traten sie Professor Pawlowitsch gegenüber, der aus einer Ecke auf den Gang geschossen kam und sich schutzsuchend umschaute, wo eine Mauer weißer Kittel den Ausgang versperrte. Sämtliche Ärzte der Klinik standen am Ende des Ganges und sahen erstaunt auf die drei Gestalten, die an Pawlowitsch vorbei zum Ausgang gingen.
    »Aufhalten!« kreischte Pawlowitsch wild. Er raufte sich die Haare und brüllte in einer unbekannten, asiatischen Sprache Flüche und

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