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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schönen, hellen Sonntagmorgen schrien: »Es zittern die morschen Knochen …«
    Er mußte lächeln und schmeckte beim Lächeln sein Blut.
    »Woran denken?« sagte Kommissar Kuwakino. Hans Sauerbrunn fuhr zusammen.
    »Ich habe die Wahrheit gesagt. Warum fragen Sie mich denn? Was ist denn los? Was habe ich denn getan?« Seine Stimme wurde unsicher. Die starren Gesichter hinter dem Tisch flößten ihm Angst ein. Er wollte es sich nicht gestehen, aber er spürte sein Herz hämmern und verkrampfte in den Schuhen die Zehen vor Angst.
    »Warum habben geändert Sie den Namen?«
    »Was soll ich?« Hans Sauerbrunn sah den Kommissar verblüfft an.
    Aaron Utschomi nickte. »Sie haben doch Ihren Namen geändert.«
    »Ich?!«
    »Ja. Sie haben aus einem -bruch einen -brunn gemacht!«
    Utschomi wollte weitersprechen, aber Major Worotilow schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab und beugte sich weit vor. Seine Stimme war freundlich und zuvorkommend. »Nun geben Sie schon zu, daß Sie Hans Sauerbruch sind, der jüngste Sohn des deutschen Chirurgen Professor Sauerbruch …«
    »Der Sohn des Generaloberstabsarztes der deutschen Armee«, unterstrich Kommissar Kuwakino.
    Hans Sauerbrunn schüttelte matt den Kopf. »Ich heiße Sauerbrunn. Mein Vater war Schuhmachermeister in Berlin. Wir wohnten am Schlesischen Bahnhof.«
    »Das ist nicht wahrr!« Der Kommissar erhob sich und umging den Gefangenen. Er umkreiste ihn wie ein Raubtier sein Opfer, und die Kreise wurden immer enger. Dicht vor Sauerbrunn blieb er stehen und sah in lauernd an. »Ihr Vater ist in Berlin. Arbeit in Charité. Wenn Sie zugebben, daß Sohnn, dann Sie frei …«
    Hans Sauerbrunn biß die Zähne aufeinander. Frei … frei … kein Plenni mehr … keine Kohlsuppe, kein glitschiges Brot, keine Arbeit in den Wäldern, keinen Piotr Markow … keinen Stacheldraht, keine Wachttürme, keine eisigen russischen Winter, keine Kirgisen und Mongolen, die nicht sprachen, sondern einfach zuschlugen … Die Versuchung umgarnte ihn.
    Lauernd sah Kommissar Kuwakino den Gefangenen an. »Na?« fragte er.
    »Ich bin es nicht«, stöhnte Hans Sauerbrunn.
    »Wir werden Sie mit nach Moskau schicken«, sagte Major Worotilow steif. »Wenn Moskau sagt, Sie sind Hans Sauerbruch, dann sind Sie es! Moskau irrt sich nie!«
    »Ich heiße Sauerbrunn! Sauerbrunn! Sauerbrunn!« schrie der Junge. Er schlug mit der Faust hysterisch auf den Tisch und riß sich das Hemd auf. Die Nerven versagte ihm, die Spannung löste sich in Schreie auf. Er tobte und wollte mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Leutnant Markow fing ihn auf und schlug ihm mit der flachen Hand gegen den Hals. Wie ein Sack fiel er um und lag gekrümmt auf dem Boden der Kommandantur.
    »Weg!« sagte der Kommissar steif. »Ich nehme ihn mit! Befehl ist Befehl!«
    Vier Tataren trugen Hans Sauerbrunn in seine Baracke. Man stellte sich gerade in einer langen Reihe auf, um Essen zu fassen.
    Die Kohlsuppe stank wie immer. Die Plennis sahen nicht hin, als man Hans Sauerbrunn aus der Baracke trug. Geschlagen wurde oft, aber Essen bekommen war wichtiger, und wer zu spät kam, erhielt mehr Wasser als schwimmende Kohlstücke.
    Julius Kerner und der von der Arbeit zurückgekehrte Peter Fischer sahen sich stumm an.
    »Hunde!« knirschte Fischer zwischen den Zähnen.
    Kerner stieß ihn in die Seite. »Halt die Schnauze, Mann.«
    In die Blechschüsseln klatschte die Suppe.
    Sie roch etwas angebrannt. Das reinigt den Magen, sagte der Mann, der austeilte. Dabei lachte er. Einmal trat man ihm in den Hintern, aber das nahm er auch nicht übel. Er war gut gelaunt, denn er hatte Küchendienst und konnte sich einmal rundum sattessen. Das macht Laune und friedlich gegen alle Mitmenschen …
    In der Baracke warfen die Tataren Hans Sauerbrunn auf die erste Pritsche und gingen lachend über den Platz zu ihrem Wachhaus am großen Tor. Karl Georg, der ewige Stubendienstleiter, kam herangerannt und verstummte vor Entsetzen, als er das Gesicht sah, das auf dem Strohsack lag.
    »Mein Gott«, stammelte er. »Mein Gott …« Dann nahm er den Eimer Wasser und ein Stück Hemdentuch und wusch Sauerbrunn vorsichtig das Blut vom Gesicht und von der Brust. Der Ohnmächtige stöhnte leise.
    Ein Gefangener aus der Nebenbaracke sah herein. »Schlimm?« fragte er.
    »Vielleicht …«
    »Der kann heute doch nichts essen. Darf ich mir seine Portion Suppe holen?«
    »'raus! Du dreckiges Schwein!« schrie Georg.
    Der struppige Kopf verschwand.
    Als die anderen in die Baracke

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