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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kommunisten haben doch ein Einheitsgehirn …«
    Dr. Schultheiß trat ins Zimmer. In seinem Gesicht stand Sorge. Er sah Dr. Böhler an und dann die beiden russischen Ärzte.
    »Janina hat nach drei Monaten wieder Auswurf«, sagte er. »Leichte Temperatur und Nachtschweiß.«
    Die Kasalinsskaja lachte höhnisch auf. »Kein Bock ist ein sanfter Liebhaber …«
    Dr. Schultheiß schwieg verbittert. Er wußte, daß Janina in der vergangenen Nacht bei Worotilow gewesen war. Er hatte wach gelegen und sich vor Eifersucht hin und her gewälzt, in die Decke gebissen und vor sich hingewimmert wie ein hysterisches Mädchen. Am Morgen war er dann an ihr Bett getreten und hatte ihr sofort die Verschlimmerung angesehen.
    »Sie müssen wieder liegen, Janina«, hatte er in ärztlichem, unpersönlichem Ton gesagt. »Sie waren töricht und ungehorsam und haben jetzt die Folgen zu tragen. Wenn Sie so weitermachen, hilft keine Kur, und Sie werden nach einem Blutsturz sterben!«
    »Du bist roh, Jens«, hatte Janina leise geklagt. »Warum bist du so roh …?«
    »Sie haben meine Verordnungen nicht befolgt, Janina.«
    »Ich hatte Sehnsucht, Jens. Ich konnte nicht anders …«
    »Jeder Mensch hat die Kraft, sich zu bezwingen. Wir sind doch keine Tiere …«
    Janina hatte die Augen geschlossen. »Ich doch, Jens, ich doch … Ich bin ein Tier …«
    Plötzlich hatte sie in seinen Armen gelegen, ein Hustenanfall durchrüttelte ihren zarten Körper.
    Er hatte sie vorsichtig zurückgebettet und die Decken über sie gebreitet. Ihre Brust atmete schnell, der Puls jagte. Schweiß brach aus den Poren, klebriger, kalter, kranker Schweiß.
    Dr. Schultheiß war aus dem Zimmer und zu Dr. Böhler gerannt.
    Die Kasalinsskaja stand auf und strich sich die Haare aus der Stirn.
    »Schlimm?« fragte sie.
    »Sie war sehr erregt. Das hat sie völlig erschöpft. Es wäre gut, wenn sie den Winter über in den Süden reisen könnte.«
    Alexandra blickte Dr. Schultheiß von der Seite an. In ihren Augen stand Erstaunen und Verständnislosigkeit.
    »Sie soll weg von hier?« Von Ihnen, wollte sie sagen, aber sie bezwang sich wegen der Anwesenheit von Dr. Kresin.
    Dr. Schultheiß nickte. »Es wäre besser, für alle …«
    »Ach so.«
    Dr. Kasalinsskaja verließ das Zimmer und ging hinüber zur Lungenstation. Als sie das Zimmer Saljas betrat, lag Janina schräg unter den Decken. Ihre nackten Beine hingen im kalten Luftzug des geöffneten Fensters. Die Schultern waren wie Eis. Sie war besinnungslos.
    Die Stimme der Kasalinsskaja gellte durch den Flur.
    »Dr. Böhler!«
    Nach zwei Minuten rannte Dr. Kresin wie ein Büffel über den Platz der Kommandantur. Seine Füße warfen den Schnee hoch in die kalte Luft.
    Blinder Zorn tobte in ihm.
    Er hatte sich vorgenommen, Worotilow zu Boden zu schlagen.
    Das Außenlager Stalingrad-Stadt war in einer leeren Fabrikhalle untergebracht und umfaßte mit allen Außenkommandos 567 Mann. Hinzu kamen 45 Offiziere, die getrennt in einem Steinhaus lebten und von denen keiner sagen konnte, was sie hier in Stalingrad machten, ob und wo sie arbeiteten und wie es in dem Lagerhaus, das ihnen zugewiesen war, aussah. Nur Dr. von Sellnow pendelte zwischen Mannschafts- und Offizierlager hin und her und baute seine Sanitätsstube zu einem leistungsfähigen Revier aus. Er erhielt dabei die Unterstützung des Distriktsarztes Dr. Kresin, der ihm die nötigen Ausstattungen zuwies.
    Die 567 Mann arbeiteten alle in der Fabrik ›Roter Oktober‹. Es war eine Stahlschmiede riesigen Ausmaßes, die neben Panzern auch Ackerschlepper, Kanonenrohre und Schiffsstahlplatten herstellte. Entstanden aus einem riesigen, unübersehbaren Gewirr von verbogenen Stahltrümmern, war die Fabrik der Stolz Stalingrads geworden, ein Wahrzeichen des Aufbaues, eine Demonstration des Lebenswillens gegen die Zerstörung. Daß gerade in der Fabrik ›Roter Oktober‹ deutsche Kriegsgefangene und russische Politische Häftlinge arbeiteten, war eine Angelegenheit des Prestiges, wie etwa die Unterzeichnung des Waffenstillstandes mit Frankreich 1940 in dem gleichen Salon-Eisenbahnwagen stattfand, in dem in Compiegne 1918 die deutsche Niederlage unterschrieben wurde. So war die Fabrik ›Roter Oktober‹ 1943 der heißumkämpfte Mittelpunkt und das letzte Bollwerk der deutschen Truppen in Stalingrad gewesen, aus den Trümmern und unübersehbaren Eisenhaufen und Kellern schlug den Russen bis zuletzt das Feuer der 6. Armee entgegen. In den Gewölben unter den Hallen lagen Tausende von

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