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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie haben Mut, Sie sind schnell von Entschluß, Sie können etwas. Rußland könnte Sie brauchen.«
    Sellnow winkte ab. »Ich bin Kriegsgefangener …«
    »Das würde sofort geändert! Sie würden ins Zivilverhältnis überführt werden.« Dr. Kresin schnippte die Asche von seiner Zigarette. »Denken Sie an den Fall des Gefreiten Sauerbrunn im vorigen Sommer. Wenn er wirklich der Sohn Sauerbruchs gewesen wäre, würde er jetzt längst frei sein und in Berlin. Wir Russen ehren die Größe des Geistes und wissenschaftliches Können. Und auch der Arzt ist ein Künstler – er arbeitet an lebenden Objekten.«
    Sellnow warf erregt die Zigarette in den Schnee, wo sie leise zischend erlosch. Das Papier löste sich durch die Feuchtigkeit auf. Wie ein brauner Fleck lag der Tabak in dem leuchtenden Weiß.
    »Das sind ja alles Dummheiten!«
    »Wieso, Doktor?«
    »Ich habe eine Frau und zwei Kinder …«
    »Wir werden sie hierherkommen lassen. Mütterchen Rußland soll ihre zweite Heimat werden! Sie werden wie ein Russe behandelt. Sie haben in jeder Hinsicht die gleichen Rechte. Es wird Ihnen an nichts fehlen. Sie erhalten ein eigenes Haus in der Nähe der Klinik, der Staat stellt Ihnen einen Wagen zur Verfügung. Die Bezahlung ist vorzüglich. Ihre Waren bekommen Sie in den staatlichen Kaufhäusern. Sie werden sehen, daß Sie in ein Paradies gekommen sind.«
    »Vielleicht in der Kalmückensteppe …«
    »Wo das Krankenhaus liegen wird, das Sie übernehmen, weiß ich allerdings noch nicht. Wir haben von Moskau nur die Anweisung erhalten, die deutschen Ärzte zu veranlassen, sich zivilisieren zu lassen …«
    »Nettes Wort, Dr. Kresin.« Sellnow lachte schallend. »Waren Sie schon bei Dr. Böhler?«
    »Ja.« Dr. Kresin nahm eine ablehnende Haltung ein. Sein Gesicht verhärtete sich.
    »Und was sagt der Chef?«
    »Er bleibt im Lager 5110/47!«
    »Ach nee! Und warum?«
    »Sein ärztliches Gewissen befehle ihm, sagte er, so lange bei seinen Kranken und Verletzten auszuhalten, bis der letzte deutsche Kriegsgefangene entlassen sei und keiner ärztlichen Hilfe mehr bedürfe. Für sein Lazarett ist er der Kapitän, der das Schiff als letzter verläßt.«
    Sellnow sah in den fahlen Himmel. Schneewolken drohten. Der russische Winter kam aus Sibirien herüber. Morgen, übermorgen … tagelang, wochenlang würde es jetzt schneien und frieren, die Erde würde hart werden wie Beton, und die Plennis würden umfallen in dieser Kälte und sterben mit einem letzten Seufzer auf den dünnen, verhungerten Lippen. Die Lagerlazarette würden sich füllen … Erfrierungen … Schneeblindheit … erfrorene Verletzungen … Amputationen … Elend … lebenslängliches Leid … Der russische Winter kannte kein Erbarmen.
    Sellnow schüttelte den Kopf. »Wie können Sie mich fragen, Dr. Kresin, wenn Ihnen Dr. Böhler schon geantwortet hat.«
    »Ich dachte, Sie würden anders denken …«
    »Ich? Wollen Sie mich beleidigen?! Sie können Rindvieh und Hund, Aas und Saustück zu mir sagen – ich antworte Ihnen mit noch schöneren Worten. Aber meinen ärztlichen Stand und mein ärztliches Gewissen lasse ich mir nicht antasten, und wenn ich dabei vor die Hunde gehen sollte!«
    Dr. Kresin sah in die Luft. Um seine Nase hatte sich der Atem zu einer leichten Eisschicht verdichtet.
    »Ich dachte dabei auch an Alexandra Kasalinsskaja …«
    Sellnows Miene wurde starr. Seine Augen verschwanden hinter den Lidern. »Was ist mit ihr?«
    »Ich würde sie Ihnen als Oberärztin zuteilen.«
    Sellnow winkte ab. »Das wäre mein Ende. Es wäre mein Tod …«
    »Vergessen Sie nicht, daß wir Ihre Frau und die Kinder nachkommen lassen …«
    »Dann würde ein Drama daraus werden! Alexandra ist wie eine rassige Stute. Wenn ein Mann sie ansieht, kann er gar nicht anders, als sie nehmen. Es ist, als ob die Natur in diesem Falle wieder urhaft würde. Daß Sie mich nach Stalingrad versetzten, Dr. Kresin, empfand ich in den ersten Tagen als das schlimmste Unglück seit meiner Gefangennahme. Ich habe getobt und in der Nacht nach der Kasalinsskaja geschrien. Aber jetzt bin ich froh darüber. Sie haben mich von einer Fessel befreit, die mich erdrückt hätte. Es ist vielleicht das erstemal, daß ich Ihnen für etwas wirklich dankbar bin.«
    Dr. Kresin schob die Unterlippe vor. Er sah aus wie ein spuckender Affe. »Sie irren, Doktor. Sie brauchen mir auch heute nicht zu danken. Ihre Versetzung verfügte Major Worotilow seinerzeit auf eindringliches Bitten von Dr. Böhler.«
    »Der Chef

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