Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
paar Kniebeugen. Die Beine waren ihm vom Liegen eingeschlafen.
    »Jetzt macht sich der Julius vor Angst in die Hosen«, bemerkte er dabei.
    »Du etwa nicht?« schrie Peter Fischer zurück.
    Georg hob die Schultern an. »Warum, Jungs? Dreckiger als hier kann es uns nirgendwo gehen! Und wenn wir krepieren sollen … ob in Stalingrad, in Moskau, in Molotow oder wer weiß wo … das ist doch wurscht! Immerhin ist dieser Parteirummel noch eine leise Hoffnung, aus dem Dreck herauszukommen. Wir müssen nur stur sein und zeigen, daß wir wirkliche Kommunisten sind …«
    Karl Eberhard Möller zog Filzstiefel und Fußlappen aus und hängte sie über den Ofen. Der Geruch der trocknenden Lappen zog ätzend durch die Baracke.
    Julius Kerner sah erschrocken zur Tür, die wieder mit einem kalten Luftzug aufschwang. Hans Sauerbrunn, der Mann mit der neuen Boxernase, trat frierend ein. Er schlug die Arme gegen seine Brust und ließ sie in der Wärme der Baracke wie Flügel kreisen. Er kam von einem Schneeschaufel-Kommando, das die Zufahrtstraße zum Lagertor schneefrei zu halten hatte. Es war ein begehrtes Kommando, denn die Posten in den Wachstuben gaben manche Zigarette ab. Es waren meist gutmütige Tataren, die nur zu Tieren wurden, wenn sie die wöchentliche Wodkazuteilung in einer Stunde versoffen.
    »Was Neues?« rief ihm Peter Fischer entgegen.
    »Der Kommissar stellt Listen zusammen. Ich habe es durch das Fenster gesehen. Worotilow ist auch bei ihm.«
    Julius Kerner schob Sauerbrunn die Fleischbüchse hin und einen Löffel. »Von Möller. Hat er von der Bascha. Uns ist der Appetit verdorben …«
    »Wegen Kuwakino?«
    »Auch. Wir müssen uns erst daran gewöhnen, ab morgen Kommunisten zu sein …«
    Sauerbrunn aß die Büchse leer und wischte sich mit dem Ärmel seiner Steppjacke über den Mund. Dann drehte er sich aus Zeitungspapier und alten Kippen eine Zigarette und steckte sie mit einem Fidibus an, den er an dem Ofen aus Lehmziegeln entzündete.
    »Ich habe gehört, daß in anderen Lagern schon die neuen Kommunisten abtransportiert werden. Es geht alles sehr schnell. Aber keiner wußte, wohin sie kamen. Mit allen Sachen antreten, hieß es. Dann wurden sie auf Lastwagen geladen und weggefahren …«
    »Hört sich wie ein Transport ins Krematorium an«, bemerkte Peter Fischer, und Julius Kerner schluckte schweigend.
    »Wenn wir da bloß keine Dummheit gemacht haben …«
    Karl Georg schüttelte den Kopf. »Man muß nur auf Draht sein und die Augen offenhalten«, sagte er. »So leicht haut man einen deutschen Oberschnäpser nicht um.«
    Wieder kam Jakob Aaron Utschomi in die Baracke. »Wir brauchen fünf Mann für Schreibarbeiten!« sagte er laut.
    »Los! Melden!« zischte Karl Georg.
    Möller, Sauerbrunn, Kerner, Georg und Fischer traten vor. Uschomi musterte sie.
    »Ihr!« Er grinste. »Die Auslese der deutschen 6. Armee.«
    Die fünf überhörten es. Sie sahen an die Decke und grinsten mit.
    »Na, kommt schon!« Utschomi, der kleine Jude, war ein guter Kerl. Er war beliebt und fühlte mit den Plennis. »Könnt ihr denn überhaupt schreiben?« fragte er, während sie über den verschneiten Platz gingen.
    »Daß sie dir gleich an die Birne hauen!« sagte Peter Fischer fröhlich. »Wir haben anderes gelernt, als im Ghetto die Menschen zu bescheißen …«
    Der Jude Utschomi lächelte zurück. Er hatte es sich abgewöhnt, jemals etwas übelzunehmen. Was nützte es auch, sich aufzuregen. Gott hatte seine Rasse und sein Volk verflucht … und er litt mit orientalischem Gleichmut und war glücklich, wenn ihn niemand tätlich angriff.
    Vor der Kommandantur baute Utschomi die fünf im Schnee auf und ging in das Haus.
    »Gleich spielen wir Schneemann«, meinte Karl Georg. Er klopfte den Schnee aus seinen Haaren. In der Eile hatte er vergessen, seine Mütze mitzunehmen.
    Der riesige Wald stand wie eine weiße Kulisse am Horizont und schien sich im Grau des niedrigen Himmels aufzulösen.
    Aus der Kommandantur trat Major Worotilow. Er musterte die fünf Freiwilligen und nickte.
    »Hereinkommen«, sagte er ziemlich freundlich. Und als sie in den Vorraum kamen und den Schnee abschüttelten, meinte er ernst: »Soll ich euch vereidigen, oder haltet ihr so die Schnauze?«
    Karl Georg schüttelte den Kopf. »Es wird auch so gehen, Genossen, was?«
    Worotilow riß die Augenbrauen hoch. Einen Moment überzog Verblüffung sein dickes Gesicht. Dann lächelte er und klopfte Georg auf die schmale Schulter.
    »Ihr seid verfluchte Kerle …

Weitere Kostenlose Bücher