Der Arzt von Stalingrad
heißen. Lieber sterben …
Kuwakino sah Worotilow an. Etwas wie Schuldbewußtsein lag in seinen Augen. »Gehen Sie zu Dr. Böhler«, sagte er. »Selbstverständlich!«
Piotr Markow sah Dr. Böhler nicht an, als er ihn kurz untersuchte. Die Brust war bis zum Hals hochrot entzündet.
»Sofort Operation!« sagte Dr. Böhler. Er richtete sich auf und wandte sich an Dr. Kresin. »Sind Sie einverstanden?«
»Schneiden Sie!« schrie Dr. Kresin. »Zerstückeln Sie den Kerl! Er hat's nicht anders verdient!«
Dr. Schultheiß jagte das neue Sanitätspersonal heraus. Er deckte den Körper bis auf das Operationsgebiet ab. Jetzt gab es sogar warme sterile Tücher aus einer elektrischen Trommel, man hatte Spreizer und Klemmen, Catgut, Seide, Narkosemittel, komplette chirurgische Bestecke. Dr. Kresin überflog die Einrichtung, während er sich an dem neuen Waschbecken die Hände schrubbte und sich von einem deutschen Sanitäter die Gummihandschuhe überziehen ließ. Dann trat er an den Operationstisch und sah in das rote Gesicht Leutnant Markows.
»Am besten wir schneiden ihm den Kopf ab«, sagte er laut. »Dann haben wir den Herd der Vergiftung an der Wurzel gepackt.«
Niemand antwortete ihm. Dr. Böhler überflog mit schnellem Blick den kleinen Instrumententisch. Er war vollkommen. Ein schwaches Lächeln überzog sein Gesicht hinter dem Mundschutz.
Das Lazarett Stalingrad, dachte er. Das Musterlazarett. Es war sein Werk …
»Sind Sie soweit, Dr. Kresin?« fragte er laut.
Der russische Arzt nickte.
Leutnant Markow atmete schnell und heftig. Seine Hände, an den Seiten des Tisches festgeschnallt, wurden weiß. Im Hintergrund hockte Worotilow auf einem Schemel. Er blickte zu Boden. Er wußte, daß es ihm schlecht werden würde, wenn er auf den Operationstisch schaute. Aber er hielt im Zimmer aus.
Dr. Schultheiß nickte. Das Narkosegerät arbeitete.
Bevor Dr. Böhler den ersten Schnitt ausführte, blickte er noch einmal zu Worotilow hin. »Ob ich ihn retten kann, weiß ich nicht. Vor allen Dingen brauche ich Blut! Wir werden viel Blut brauchen.«
Worotilow sprang auf. »Ich werde sofort Spender besorgen!« Wie gejagt rannte er aus dem Zimmer.
Und während Dr. Böhler operierte, warf Worotilow alle Wachmannschaften aus den Betten und sah ihre Papiere durch. Blutgruppe AB.
Mit sieben widerstrebenden Blutspendern, die nicht wußten, was mit ihnen geschehen sollte, erschien er wieder. Er trieb sie in den Operationsraum, gerade in dem Augenblick, in dem Dr. Böhler den Herd der Vergiftung herausschnitt. Die Abdecktücher hatten sich mit Blut vollgesogen, es war bis auf die Gummischürze gespritzt. Die sieben russischen Soldaten starrten auf die Ärzte und wurden weiß. Ein Mongole begann zu schluchzen. Worotilow schlug ihm ins Gesicht, und er schwieg.
»Die Blutspender«, sagte der Major. »Sieben Stück, reicht das?«
Dr. Böhler nickte. »Sofort Transfusion«, sagte er.
Dr. Kresin trat mit blutiger Schürze und tropfenden Handschuhen zu den sieben Soldaten. Er nickte einem dicken, kräftigen Burschen zu. »Du da!« sagte er.
Der Russe zuckte zusammen. Er bekreuzigte sich, aber nach einem Blick auf den Genossen Major ging er tapfer mit zu einem anderen Tisch, an dem Dr. Schultheiß schon die Bluttransfusion vorbereitete.
Der Russe wurde entkleidet und gewaschen. Zwei deutsche Sanitäter bemühten sich um ihn. Willenlos ließ er alles mit sich geschehen. Ein Blick auf den narkotisierten und aufgeschnittenen Markow hatte ihn schwach gemacht.
Dr. Kresin stieß ihn mit dem Knie auf den Tisch und tastete die Armvene ab. »Wenn es klappt, hast du drei Tage dienstfrei«, sagte er schroff. »Dann kannst du dir in Stalingrad das fehlende Blut wieder ansaufen …«
»Du willst Blut nehmen, Genosse Arzt?« sagte der Russe entsetzt. »Mein Blut …«
»Halt 's Maul! Arm her!« schrie Dr. Kresin. Dr. Schultheiß stieß die Hohlnadel in die Vene, der Russe begann zu jammern, aber er hielt still, weil Worotilow hinter ihm stand, die Hand auf der Pistole. Langsam quoll das Blut durch die Kontrollglasröhre in den Schlauch, der den Arm mit der Vene Markows verband. Während der Blutübertragung schloß Dr. Böhler die Operationswunde. Als er den letzten Stich mit Seide machte, war auch die Übertragung des Blutes beendet. Grinsend lag der Soldat auf seinem Bett und sah zu, wie man ein großes Pflaster über die Einstichstelle an seinem Arm klebte. Dr. Kresin nickte ihm zu, als er sich erhob und zu dem Major hinsah.
»Jetzt hau
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