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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ihnen die Entscheidung zu überlassen. Wie ich die russische Seele kenne, werden Sie beide opfern – Janina und mich! Und die Ehre des betrogenen – des bis jetzt nur seelisch betrogenen Offiziers ist wiederhergestellt. Zwei Opfer … sie fallen nicht weiter auf in dem Wald von Kreuzen, der sich vom Eismeer bis zum Schwarzen Meer durch Rußland zieht.«
    Worotilow trat dicht an Dr. Schultheiß heran. Wortlos hob er die Hand und schlug dem Arzt ins Gesicht.
    »Das ist für die Beleidigung meines Vaterlandes«, sagte er dabei. Dann griff er in die Tasche und zog eine Packung türkischer Zigaretten hervor. Er klappte die Schachtel auf und hielt sie Dr. Schultheiß hin. »Und jetzt rauchen wir unter Männern eine Zigarette … das ist für Ihren Mut, Dr. Schultheiß!«
    Der Arzt zögerte, dann griff er zu und ließ sich die Zigarette von Worotilow in Brand setzen. Seine Wange brannte. Er setzte sich an den Tisch und sah zu, wie Worotilow noch ein Glas holte und einschenkte.
    »Es geht nur um eins – retten Sie Janina!« Worotilow goß sein Glas hinunter und atmete schwer.
    Dr. Schultheiß setzte sein Glas ab, ohne zu trinken. Er erfuhr erst jetzt, wie sehr der Russe Janina liebte. Er gab sie frei, um sie zu retten … Es war das Opfer eines Mannes, der keinen anderen Ausweg mehr sah, als sich zurückzuziehen. Er, der Russe, der Sieger, der Stärkere, der Machtvolle – er begab sich freiwillig seiner Rechte für einen Plenni!
    Dr. Schultheiß zerdrückte die Zigarette im Aschenbecher. Auch die Zigarette schmeckte plötzlich bitter. »Es ist vielleicht doch besser, wenn Janina in die Krim fährt«, sagte er. »Besser für uns beide.«
    »Sonst wird sie nicht gesund – Sie sagten es selbst.«
    »Zumindest dauert die Heilung länger.«
    Worotilow ließ seine große Hand durch die Luft kreisen. »Reden Sie mit mir nicht als Arzt – reden Sie wie ein Mensch zum Menschen, ein Mann zum Mann. Wir sind allein, die Tür ist verriegelt, die Fenster sind verhängt. Wir sind völlig ungestört. Wir sind nicht Sieger und Besiegte, nicht Kommandant und Plenni – wir sind zwei Männer, die die gleiche Frau lieben und von denen einer verzichtet, weil es so besser ist. Das ist alles, Dr. Schultheiß.«
    Er schob ihm das Glas Wein wieder hin und hob das seine. »Trinken wir auf den Funken Menschlichkeit und Anständigkeit, den wir uns über alle Zeiten hinweg gerettet haben.«
    Dr. Schultheiß hob sein Glas und stieß an. »Sie sind wirklich ein seltener Mensch«, sagte er ehrlich. »Ich hatte Sie in vier Jahren fürchten gelernt – jetzt verehre ich Sie.«
    Major Worotilow antwortete nicht. Er sah dem Rauch seiner Zigarette nach und schob gedankenlos mit der anderen Hand das Glas hin und her. Schweigend saßen sich die beiden Männer gegenüber.
    Im Ofen knackten die Holzscheite, die Eisenplatte glühte.
    Janina, dachte er, Janina.
    O Gott, wäre doch nie dieser Krieg gekommen … dieser grausame, unselige Krieg.
    Was nur ein Gerücht war, wurde drei Tage später sensationelle Wirklichkeit. Die Plennis standen verwundert und mit offenem Mund vor den Baracken im Schnee und sahen auf die beiden Lastwagen, die durch das große Lagertor rollten und auf dem Abstellplatz von Major Worotilow, Dr. Kresin und Dr. Böhler empfangen wurden.
    Als sich die Planen hoben, sah man zuerst Kisten und Kartons, dann aber schälten sich einige in Pelze und Steppjacken vermummte Gestalten aus dem Inneren der Lastwagen und kletterten mit kälteerstarrten Gliedern die kleine Leiter hinunter.
    Frauen! Mädchen!
    Eine … zwei … drei …
    Drei Frauen. Deutsche Krankenschwestern!
    Sie kamen aus den Lagern 5110/43 Krassnopol und 5110/44 Stalino. Der Divisionsgeneral hatte sie von der Zentrale in Moskau für 5110/47 angefordert und einen langen Bericht über die mustergültigen Lazarettverhältnisse geschrieben, die Dr. Böhler mit seinen Ärzten in Stalingrad geschaffen hatte. Selbst Russen lägen in dem Lazarett des Lagers 5110/47 – unter ihnen auch der Genosse Leutnant Piotr Markow mit einer fast tödlichen Blutvergiftung. Dr. Böhler aber habe ihn operiert und ihn mit immer neuen Bluttransfusionen so gut wie gerettet.
    Das war einer der maßgebenden Punkte, warum man in Moskau so schnell die Erlaubnis erteilte, aus Krassnopol und Stalino deutsche Schwestern in das Lager an der Wolga zu verlegen. Hinzu kam der lange Bericht des Genossen Kuwakino, der meldete, daß im Lager Stalingrad die Stimmung vorzüglich und man allgemein sehr kommunistenfreundlich

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