Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
glücklich.
    »Die ganze Nacht, Janinaschka.«
    »Und wenn wir ganz glücklich sind, werden wir das Fenster öffnen und lauschen, wie die Wälder rauschen. Die Wälder der Wolga …« Sie legte sich zurück und schloß die Augen. »Und ich werde dich in meinen Armen halten, ganz, ganz fest und dicht, dein Atem wird über mich gleiten … Kennst du Hafis?«
    »Den persischen Dichter?«
    »Ja.« Sie zog seinen Kopf zu sich herab und flüsterte ihm ins Ohr. »Er begann ein Lied, das er nie zu Ende schrieb:
    Eine Riesenmuschel ist die Welt, die als einzige Perle dich enthält …
    Ist es nicht schön, dieses Lied …«
    »Sehr schön, Janinaschka.«
    Sie schloß die Augen, sein Kopf lag auf ihrer Brust.
    »Ich bin so müde, Jens. So müde …«
    Er schwieg. Als sie vor Erschöpfung eingeschlafen war, löste er sich leise von ihr und deckte ihre nackten Arme zu. Er sah noch einmal nach dem Ofen, legte ein paar dicke Holzscheite hinein und verließ auf Zehenspitzen das Zimmer.
    Auf dem Gang kam ihm Dr. Böhler, noch immer wütend über Worotilow, entgegen.
    »Unsere Schwestern sind gekommen, Schultheiß.«
    »Ich habe sie vom Fenster aus gesehen, Herr Stabsarzt.«
    »Worotilow hat sie behandelt wie Rotz am Ärmel! Ich möchte wissen, was in den Major gefahren ist! Seit gestern ist er wie ausgewechselt.«
    Dr. Schultheiß schwieg, er wurde nicht einmal rot oder verlegen. Worotilow trug es schwer, das wußte er. Er liebte Janina ehrlich. Und es war unglaubhaft, daß er ihn nicht einfach über den Haufen geschossen und nach Moskau gemeldet hatte: In Notwehr getötet …
    Dr. Böhler blätterte in den Papieren, die ihm Dr. Kresin gegeben hatte.
    »Die ausgebildete Rote-Kreuz-Schwester Ingeborg Waiden hat zwei Jahre auf Lungenstation gearbeitet und selbständig Pneus angelegt. Ich werde sie Ihnen zuteilen, Schultheiß. Dann sind Sie entlastet. Die beiden anderen Mädels werde ich in die chirurgische Abteilung stecken. In der internistischen brauchen wir keine Hilfe – das macht der Pelz allein. Vor allem sind wir dann sicher, daß wir keine Simulanten bekommen. Magenkrämpfe kann man gut nachmachen, und herzkrank sind sie alle – aber jeder wird sich hüten, sich ein Loch in den Leib schneiden zu lassen, nur um in der Nähe eines Mädchens zu sein!«
    Dr. Schultheiß nahm die Papiere von Ingeborg Waiden an sich und sah sie kurz durch.
    »Aus Kiel?« fragte er.
    »Aus Ihrer Heimat, Jens.« Dr. Böhler hob lächelnd den Finger. »Nun machen Sie mir nur keine Dummheiten!«
    »Bestimmt nicht, Herr Stabsarzt.«
    »Übermorgen kommt die Kasalinsskaja wieder. Ich bin gespannt, was sie zu unseren Neuerwerbungen sagen wird.«
    »Bestimmt nichts Gutes.«
    »Davon bin auch ich überzeugt.«
    Aus dem Zimmer, in dem Leutnant Markow lag, erklang Stöhnen. Dr. Böhler sah auf die geschlossene Tür.
    »Wenn ich den durchbekomme, bin ich glücklich«, sagte er leise. »Kuwakino ist wieder bei ihm. Der Kommissar hat so etwas wie sein Herz entdeckt. Haben Sie jetzt noch zu tun?«
    »Nein, Herr Stabsarzt.«
    »Dann kommen Sie mit zu Markow. Ich will mir seine Blutvergiftung mal ansehen.«
    »Übermorgen muß ich wieder fort, Werner«, sagte Alexandra und schmiegte sich zärtlich an Sellnow. »Dann werden wir uns eine ganze Woche lang nicht sehen …«
    Das ist gut, dachte er. Er kam sich ekelhaft, gemein und feig vor. Er hatte seine Frau betrogen – zum erstenmal mit Bewußtsein und Willen betrogen. Er hatte seine Kinder betrogen, er hatte ihr Vertrauen, ihren Glauben, ihre Liebe geschändet, und er fühlte sich jetzt ausgestoßen und verworfen. Er spürte die Wärme Alexandras an seiner Haut, er roch ihren Körper. Das schwarze Haar kitzelte an seiner Schulter – es roch nach Rosen und Thymian.
    »Du sagst gar nichts«, fragte sie drängend.
    »Ich bin traurig, daß du gehen mußt«, log er.
    »Wir haben noch zwei Nächte vor uns, in denen ich dich zerfleischen kann.« Sie lachte mit ihrer dunklen Stimme, die ihn immer wieder erschauern ließ. Ihre Raubtierzähne glänzten vor seinen Augen. Die Lippen waren rot und feucht. Mit einem Satz sprang sie auf und dehnte den nackten Körper in der Sonne. Sie tastete mit den Zehen nach ihren gestickten Pantoffeln und trippelte zum Petroleumkocher. Nackt wie sie war, lief sie im Zimmer hin und her und begann, Kaffee zu kochen. Sellnow verfolgte ihre Gestalt mit den Blicken und nahm das Bild dieser wilden, unersättlichen Frau auf, wie man ein Gemälde ansieht, von dem man weiß, daß man es nie wieder

Weitere Kostenlose Bücher