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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kasalinsskaja sagte: »Wir müssen auch ihn beobachten! Er ist ein Deutscher! Er ist immer gefährlich! Er wird vielleicht der nächste sein …«
    Dann ging er weiter. Mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen sah ihm die Kasalinsskaja nach.
    Die kalte Hand Moskaus lag über dem Lager 5110/47 …
    Dr. von Sellnow stand im Zimmer. Er hatte sich gegen die Tür gelehnt, die er von innen verschlossen hatte. Seine Pelzmütze lag auf dem Boden zwischen ihm und Dr. Böhler.
    »Guten Tag, Werner«, sagte Dr. Böhler freundlich.
    Sellnow ballte die Fäuste. »Du Idiot!« zischte er. »Du heilloser Idealist! Du romantischer Feigling!«
    »Ist das alles, was du mir nach so langer Abwesenheit zu sagen hast?«
    »Ich könnte dir noch mehr sagen, ich könnte dir all das, was ich in mir aufgespeichert habe, ins Gesicht schleudern wie einen Eimer Dreck … aber es hätte ja doch alles keinen Sinn!«
    »Wie gut du mich kennst.« Dr. Böhler streckte den Arm aus, zu Sellnow hin. »Komm, gib mir die Hand.«
    Sellnow rührte sich nicht. »Es stimmt, was man mir erzählt hat. Du hast gemeutert, und ich übernehme das Lazarett?«
    »Ja.«
    »Du kommst als gemeiner Plenni in ein Straflager?«
    »Ja. Nach Kasymsskoje, in die Sümpfe von Westsibirien.«
    »Das weißt du?«
    »Kuwakino hat es mir eben gesagt. Mittwoch werde ich abtransportiert. Bis dahin hast du Zeit, dich wieder einzuarbeiten. Wir haben jetzt drei deutsche Schwestern, eine russische Laborantin …«
    »Hör mir auf mit den Weibern!« Sellnow schleuderte seine Jacke ab. Vor Erregung vibrierend stand er vor Böhler. »Und du schämst dich nicht, uns zu verlassen?!«
    »Ich gehe für unser Recht! Man hat an meinen Kameraden rechtlos gehandelt … und da mache ich nicht mit!«
    »Recht! In der Gefangenschaft Recht! Wenn ich das höre! Man könnte sich vor soviel Blödheit die Haare raufen! Du kennst Kresin, kennst Worotilow … es sind gute Kerle, die oft anders müssen, als sie selbst wollen! Auch sie haben einen über sich, der mit der Naßaika winkt, wenn sie nicht spuren. Das weißt du alles … und da stellst du dich hin, der Herr Stabsarzt Dr. Fritz Böhler, stellst dich hin in deiner ganzen Größe und spuckst große Bogen von wegen Menschenrecht um jeden Preis.«
    Dr. Böhler wandte sich ab. »Deine Unsachlichkeit hat in Stalingrad noch zugenommen«, sagte er ruhig. »Es geht hier um mehr als Äußerlichkeiten. Es geht um die Grundeinstellung! Man hat versucht …«
    »Ich weiß, ich weiß!« Sellnow winkte mit beiden Armen ab. »Alexandra hat's mir erzählt. Sie haben den Walter Grosse in der Latrine ersäufen wollen, und du Idiot hast ihn gerettet.«
    »Ich bin Arzt.«
    »Herrlich! Ich bin Arzt! Wäre Grosse ersoffen, in der Scheiße untergetaucht, so hätte man sein Verschwinden lange nicht gemerkt. Beim Appell hätte einer für ihn ›hier‹ gerufen, bis es Kuwakino aufgefallen wäre, daß keine Meldungen mehr eintrafen. Dann aber wären alle Spuren längst verwischt gewesen! So aber wird der Grosse aussagen … man wird ihn kirre kriegen … Mit Foltern, mit Seelenmassage, mit der Drohung, seine Frau und Kinder als Geiseln festzunehmen … Das wirft den stärksten Seemann um! Und dann marschieren nicht du allein, sondern noch sieben andere Männer in die Sümpfe.«
    »Wieso sieben?« Dr. Böhler sah Sellnow groß an.
    »Weil ich sie kenne!« Er wurde ein wenig verlegen und sah an die Decke. »Ich habe in der Fabrik ›Roter Oktober‹ nicht auf dem Mond gelebt. Ich habe die Namen am nächsten Tag gewußt.«
    »Von wem?« Dr. Böhler trat einen Schritt vor. Als Sellnow auswich, faßte er ihn an den Rockaufschlägen und zog ihn zu sich heran. »Werner, ich will wissen, woher du die Namen kennst. Ich muß die sieben Männer schützen … ich muß sie vor Grosse und Kuwakino schützen. Sie bilden die einzige Gefahr … Sie müssen sicher sein, bevor ich am Mittwoch abtransportiert werde … Wer weiß die Namen noch?«
    Sellnow senkte den Kopf. »Alexandra«, sagte er leise.
    Verblüfft ließ Dr. Böhler ihn los. »Die Kasalinsskaja? Und sie schweigt? Sie … die gefürchtetste Frau im ganzen Bezirk Stalingrad.«
    »Ja, sie schweigt.« Sellnow schob Dr. Böhler zur Seite und trat an den Tisch. »Aber das ist unwichtig. Alles ist unwichtig. Du darfst auf keinen Fall nach Kasymsskoje. Dort gehst du innerhalb von vierzehn Tagen vor die Hunde!«
    »Das weiß ich. Aber ich bettle nicht. Worotilow hat mich bei Kuwakino verraten. Das war meine größte Enttäuschung seit

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