Der Assistent der Sterne
bestimmt auch ihrer Tochter davon erzählt, damals, als die Tochter ihr noch vertraute. Lulambo hatte die verlorene Bernsteinkette, das Erbstück, auf magische Weise wieder aufgespürt; deshalb war der Tochter sein Name bekannt gewesen, Lulambo, Antwerpen.
»Vera Lachaert«, sagte Jensen, »hat Sie dafür bezahlt, dass Sie ihrer Mutter den Tod der Tochter prophezeien. Sie wollte ihrer Mutter Angst machen, sie wollte ihr schaden, und das ist ihr gelungen. Dank Ihnen.«
Lulambo schüttelte den Kopf. An der Wand hinter dem Bett fanden die Schatten keine Ruhe, die Kerzen brannten rußig und unsicher.
»Nein«, sagte Lulambo. »Er hat Ihnen alles gesagt. Jetzt will er, dass ich ihn wieder zudecke. Er ist erschöpft. Er sagt, dass Sie kein undankbarer Mensch sind, das weiß er.Er hat Ihnen geholfen, und er weiß, dass Sie jetzt ihm helfen werden.«
»Sagen Sie ihm, dass er keine Hilfe braucht. Sie brauchen Hilfe. Bei unserem ersten Gespräch, vor zwei Tagen, fragte ich Sie, ob Sie Vera Lachaert kennen. Sie haben das bestritten. Sie haben mich belogen.«
»Nein. Und das weiß er. Er weiß, dass ich nicht gelogen habe. Ich habe nur ein Versprechen gehalten. Ich habe ihr versprochen, es niemandem zu sagen.«
»Sie haben Sie gekannt, Lulambo. Fragen Sie Ihren Erdgeist, ob Sie Vera Lachaert geliebt haben. Und fragen Sie ihn nach Ihrer Blutgruppe.«
»Das weiß er nicht!« Lulambo umklammerte mit beiden Händen den Fetisch und rüttelte ihn; zwei Federn lösten sich aus der Blutkruste, sie schwebten zu Boden. »Er weiß es nicht! Er ist enttäuscht von Ihnen. Sie kränken ihn! Er ist nur ein Geist, aber Sie sind ein Mensch. Ein Geist kann nicht wissen, was man tut, wenn man Geld braucht, für die Familie, für die Brüder, für die Cousins, die Tanten. Jeder will ein Radio, jeder will neue Schuhe, jeder schreibt: Warum schickst du nichts? Warum schickst du nur so wenig? Wovon sollen wir leben, glaubst du, wir seien Bettler? Er ist ein Geist, er hat keine Verwandten, er weiß nicht, was Verwandte sind. Er sagt, dass Sie ihm diese Fragen nur stellen, um ihn zu beleidigen. Sie wollen ihm beweisen, dass Sie mehr wissen als er, mehr über Verwandte, Blutgruppen und über Versprechen, die man halten muss. Er sagt, dass Sie recht haben. Sie sind ein Mensch, und deshalb wissen Sie über diese Dinge Bescheid und er nicht. Sie haben ihn herausgefordert, und jetzt möchte er Ihnen eine Frage stellen. Er fragt Sie, ob Sie wissen, ob die Frau noch lebt.«
»Nein. Das weiß ich nicht.« Aber du weißt es, dachte Jensen.
»Er sagt, dass Sie es nicht wissen, weil Sie ein Mensch sind. Aber er ist ein Geist. Er weiß über Dinge Bescheid, die nur Geister kennen.«
Lulambo drückte sich die Fäuste an die Schläfen.
»Er hat Sie satt!«, sagte er. »Sie quälen ihn!« Lulambo wechselte in seine Heimatsprache, er beschimpfte Jensen, man musste die Wörter nicht verstehen, um das zu merken. »Sie glauben, dass er nichts weiß. Aber er weiß mehr, als Sie sich vorstellen können. Er wird es Ihnen sagen, und danach werden Sie gehen. Er will, dass Sie ihm das versprechen.«
»Das kann ich nicht.«
»Sie werden gehen!«, rief Lulambo. Er legte den Kopf in den Nacken. »Sie werden dorthin gehen!« Blut rann aus seiner Nase, er strich es mit der Hand weg.
Nasenbluten. Jensen konnte sich nicht erinnern, das je bei einem Erwachsenen gesehen zu haben, außer nach einem Faustschlag.
»Er sagt, dass Sie zum Wasser gehen werden. Zwei Riesen schwimmen im Wasser. Das Wasser trägt den Namen eines Königs. Wasser, aber nicht das Meer. Es ist nicht das Meer. Man sucht Schutz. Aber sie nicht. Sie hat dort nicht Schutz gesucht. Er sagt, dass er das nicht versteht. Aber er weiß, dass Sie es verstehen werden.«
»Was? Zwei Riesen, die im Wasser schwimmen? Sagen Sie ihm, dass ich es so wenig verstehe wie er. Herr Lulambo. So kommen wir nicht weiter.« Und die Zeit drängte, De Reuse hatte inzwischen mit Verstreken gesprochen, er hat mich denunziert, dachte Jensen, ich muss Verstreken den Täter, den Dunkelmann, den Malhomme präsentieren, und es stand noch keineswegs fest, ob Lulambo sich dafür eignete.
»Ich möchte, dass Sie sich deutlicher ausdrücken«, sagteJensen. »Zwei Riesen im Wasser. Damit kann ich nichts anfangen. Sie sind nicht die Sphinx. Ich will keine Rätsel lösen, ich will, dass Sie mir sagen, wo ich Vera Lachaert finde. Und ob sie tot ist oder noch lebt.«
Lulambo drückte sich sein Taschentuch unter die Nase.
»Es hat keinen
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