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Der Assistent der Sterne

Der Assistent der Sterne

Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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jetzt die Erde«, sagte Lulambo. »Wegen den Muscheln glaubt er, dass er unter Wasser ist, das macht ihm Angst. Aber er riecht auch die Erde. Das beruhigt ihn. Die Angst darf nicht zu groß werden, sonst wird er wütend, das wäre schlimm. Oder er schweigt, und das wäre auch nicht gut. Aber seine Angst darf auch nicht zu klein sein, sonst hält er es nicht für nötig, mit Ihnen zu sprechen. Die Erde und die Muscheln halten es im Gleichgewicht. Sie können ihm jetzt Ihre Fragen stellen.«
    »Gut. Woher wussten Sie, dass Ilunga Likasi etwas zustoßen wird?«
    Lulambo schloss die Augen. Er legte die Hand auf den Fetisch und sagte: »Er sagt, dass er niemanden kennt, der so heißt.«
    »Dann werde ich meine Frage wiederholen. Mit einem anderen Namen, den er vielleicht kennt. Weshalb wussten Sie, dass Vera Lachaert etwas zustoßen wird?«
    »Er sagt, dass ich es nicht wusste. Nur er wusste es.«
    »Und woher wusste er es?«
    Lulambo legte nun auch die andere Hand auf den Fetisch.
    »Er sagt, er wusste es, weil jemand gekommen ist.«
    »Wer ist gekommen? Und zu wem?«
    »Jemand.«
    Ein wortkarger Erdgeist. Es entsprach immerhin den physikalischen Gegebenheiten: Erde leitete Schallwellen schlecht, Gesprächigkeit machte da unten keinen Sinn.
    »Und dieser jemand, hieß er De Reuse?« Das musste abgeklärt werden.
    Lulambo schüttelte den Kopf.
    »Er sagt, dass er diesen Namen nie gehört hat.«
    »Aber dieser Jemand ist zu ihm gekommen? Und Ihr Erdgeist hat ihm gesagt, dass Vera Lachaert etwas zustoßen wird?«
    »Er sagt, dass das Erste stimmt, das Zweite nicht.«
    Verlier jetzt nicht die Geduld, dachte Jensen.
    »Warum ist dieser Jemand zu ihm gekommen?«
    »Er sagt, es ist jemand zu ihm gekommen, um ihn um etwas zu bitten.«
    »Und um was?«
    »Er sagt, dass er den Menschen, der zu ihm gekommen ist, verachtet. Er möchte nicht über ihn reden. Er möchte nicht mehr an ihn denken.«
    »Warum nicht?«
    »Er sagt, dass es ein schlechter Mensch ist. Dieser Mensch hat ihn gebeten, zu lügen.«
    »Ich dachte, er kann nicht lügen.«
    »Er sagt, dass er diesem Menschen zuliebe gelogen hat. Aber weil er nicht lügen kann, ist jetzt alles genau so geschehen. Der Mensch wollte, dass er einen anderen Menschen belügt.«
    Jensen schloss jetzt auch die Augen, wie Lulambo, er konnte sich so besser konzentrieren.
    »Es ist also jemand zu ihm gekommen und hat ihn gebeten, Trees Lachaert den Tod ihrer Tochter zu prophezeien. War es so?«
    Lulambo griff in den Lederbeutel und streute Erde über den Fetisch, sie blieb in den Federn hängen, sie rieselte auf den Boden.
    »Seine Angst ist jetzt zu stark«, sagte er. »Er will nicht mehr weiterreden. Und ich habe nicht genug Erde.«
    »Doch. Sie haben genug. Der Beutel ist noch voll.«
    »Ich muss sparsam sein.«
    »Geben Sie her.«
    Lulambo gab ihm den Beutel, und Jensen warf zwei Handvoll Erde über den Fetisch.
    »Sehen Sie?«, sagte Jensen. »Er ist jetzt voller Erde. Er hat keine Angst mehr. Oder nur noch gerade so viel, wie nötig ist, damit er die Wahrheit sagt. Also. Wollte dieser Mann, dass er Trees Lachaert den Tod ihrer Tochter prophezeit?«
    Lulambo strich sich über den Mund. Er hielt beide Hände über den Fetisch, vorsichtig, als sei die Oberfläche heiß geworden.
    »Er sagt, dass es kein Mann war und dass Sie jetzt wissen, wie es war. Mehr kann er Ihnen nicht sagen.«
    »Es war eine Frau?«
    »Er sagt, dass Sie das schon wissen.«
    »Kennt er den Namen der Frau?«
    An Lulambos Kinn hingen Schweißtropfen, sie wurden schwer, sie lösten sich, die Kerze unter ihm zischte.
    »Er sagt, dass Sie den Namen schon kennen.«
    Das war eine präzise Antwort, die nur einen Schluss zuließ. Darauf hättest du selbst kommen können, dachte Jensen.
    »Vera Lachaert«, sagte er. »Ist das ihr Name?«
    Es war gar nicht Schweiß, es waren Tränen. Jetzt erst bemerkte Jensen es. Lulambo weinte. Die Tränen quollen ihm unter den geschlossenen Augenlidern hervor.
    »Er sagt, dass er jetzt schweigt.« Lulambo zog ein Taschentuch hervor und presste es sich aufs Gesicht. »Er sagt, dass Sie schon alles wissen. Es gibt keinen Grund mehr, ihm Fragen zu stellen.«
    Das ist ein Ja, dachte Jensen. Ilunga Likasi hatte die Prophezeiung also selbst in die Welt gesetzt. Als Vergeltung dafür, dass ihre Mutter ihr Jorns Vaterschaft verheimlicht hatte. Sie wusste, dachte Jensen, dass sich ihre Mutter jedes Jahr an ihrem Geburtstag die Zukunft vorhersagen lässt. Die Bernsteinkette. Trees Lachaert hatte

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