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Der Assistent der Sterne

Der Assistent der Sterne

Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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Es ist unmöglich, er kann nicht lügen. Selbst wenn er es tut, wird trotzdem alles, was er sagt, genau so geschehen. Selbst eine Lüge wird wahr.«
    »Eine Lüge wie diese Prophezeiung zum Beispiel.«
    »Das spielt keine Rolle. Es wird alles so geschehen. Ich weiß es, er hat es mir gesagt.«
    »Ihr Fetisch.«
    »Ja. Mein Fetisch! Er hat mir dieses Bild gezeigt, vondem Hotel. De Tuilerieën. Ich war mir nicht sicher, ob Sie es sind. Aber jetzt bin ich sicher. Sie wären sonst nicht hier.«
    »Ja«, sagte Jensen. Ihn irritierte, dass Lulambo einen so wachen, intelligenten Eindruck machte. Gleichwohl war er ganz offensichtlich krank. Er hatte soeben zugegeben, dass er Trees Lachaert belogen hatte, das genügte Jensen. Warum Lulambo ausgerechnet ihn vor Vera Lachaert gewarnt hatte, würde für immer ein Geheimnis von Lulambos unergründlichem Geist bleiben.
    Lulambo stand vom Bett auf, er fasste Jensen bei den Armen.
    »Sie müssen mir zuhören«, sagte er eindringlich. »Es kann vielleicht noch verhindert werden. Sie dürfen nicht mit ihr zusammentreffen. Es war nicht vorgesehen, dass ich Ihnen das sage. Aber ich sage es Ihnen trotzdem. Vielleicht kann ich es dadurch noch ändern.«
    »Sie haben recht«, sagte Jensen. »Wahrscheinlich haben Sie das Unglück verhindert.« Es musste furchtbar sein, von Einflüsterungen beherrscht zu werden, deren Ursprung man nicht erkannte. »Sie haben mir geholfen«, sagte Jensen. »Und jetzt möchte ich Ihnen helfen. Gibt es irgendetwas, das ich für Sie tun kann? Möchten Sie vielleicht mit jemandem über Ihren Fetisch sprechen? Mit jemandem, der davon etwas versteht?« Jensen war nie begabt gewesen im Umgang mit Verwirrten. Man durfte nicht zu direkt sein, das fiel ihm schwer. Und heute würde kein Notfallpsychiater kommen und ihm die Verantwortung abnehmen. »Ich kenne jemanden, der Ihnen einfach nur zuhören würde.«
    Lulambo schaute Jensen lange an.
    »Sie denken, dass ich verrückt bin.« Er lachte kopfschüttelnd. »Sie hören einfach nicht zu. Schauen Sie sich doch einmal an. Sie tragen einen Schal. Darf ich Sie fragen,warum? Bitte, erzählen Sie es mir.« Lulambo verschränkte die Arme. »Kommen Sie. Tun Sie mir den Gefallen. Sagen Sie mir, warum Sie diesen Schal tragen.«
    »Ein Schal ist in diesem Winter nichts Ungewöhnliches. Aber das ist nicht das Thema. Ich möchte nur, dass Sie sich mein Angebot überlegen.«
    »Sie tragen den Schal, um etwas zu verdecken. Vera Lachaert wird von einem Mann getötet werden, der ein Mal am Hals hat. Erinnern Sie sich? Ich habe es Ihnen erst vor fünf Minuten gesagt.«
    »Ja. Und Sie sagten auch, dass Ihre Prophezeiung frei erfunden war.«
    »Sie haben nur gehört, was Sie hören wollten. Ich sagte, dass mein Fetisch nicht lügen kann. Das ist etwas anderes. Wie sieht es aus?«
    »Was?«
    »Das Mal.«
    »Wenn es Sie beruhigt, werde ich es gern noch einmal wiederholen: Ich kenne Vera Lachaert nicht. Ich kenne nur ihre Mutter, die Ihretwegen in Lebensgefahr schwebt. Ich will jetzt ganz offen sein, Herr Lulambo. Ich bin überzeugt davon, dass es Ihnen und anderen besser gehen würde, wenn Sie sich in ärztliche Behandlung begeben würden.«
    »Dann will ich auch offen sein. Sie werden ihr begegnen. Und wenn es so weit ist und Sie auf mich hören und sich von ihr fernhalten, dann wird es mir besser gehen.«
    »Leben Sie wohl«, sagte Jensen.
    »Sie sind kein Flame, nicht wahr? Ich höre es an Ihrem Akzent. Woher kommen Sie?«
    Unwillig antwortete Jensen: »Aus Deutschland.«
    Lulambos Augen leuchteten auf. »Ein gutes Land. Wir haben gegen Deutschland gewonnen, drei zu null. Ostdeutschland. Wie hieß es?«
    »DDR.«
    »DDR, ja genau. 1964. Das ist lange her. Aber manche Feuer brennen für immer.«

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    14
    E r war auf der Autobahn allein, im Lichtkegel der Scheinwerfer sahen die Schneeflocken aus wie schwerelose Insekten. Die Bisswunde pulsierte, so als habe sich dort ein eigenes kleines Herz gebildet, das die Entzündung am Leben hielt.
    Morgen gehe ich zu Vanackere, dachte Jensen. Er wollte wieder in den Spiegel sehen können, ohne an Ilunga Likasi erinnert zu werden. Und dann war dieser Biss ja jetzt auch zum Corpus delicti geworden. Es war ungeheuerlich. Es war vollkommen absurd, widersinnig, eine Unverschämtheit. Jensen schlug aufs Lenkrad, er malträtierte es und dachte dabei an Lulambo. Was hatte ihm dieser Irre da nur eingebrockt! Mit der Handkante versetzte er dem Lenkrad Schläge. Man konnte Lulambo nicht einmal zur

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