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Der Assistent der Sterne

Der Assistent der Sterne

Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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falls er noch einmal hier auftauchen sollte. Außer natürlich, wenn Sie den Mann kennen. Das wäre etwas anderes. Aber das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Ja«, sagte Jensen. »Gute Nacht.« Er hatte jetzt wirklich schwerwiegendere Probleme.
    Er stieg die Treppe hoch in die zweite Etage, wo sich sein Zimmer befand. Er knipste das Licht an, legte sich aufs Bett und las den Zettel. Es war im Wesentlichen eine in Druckbuchstaben geschriebene Bitte, den Namen Vera Lachaert nicht zu vergessen. Das sei lebenswichtig. Gezeichnet: Pierre Lulambo, »Ihr guter Freund«.

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    3
    » F ISCH ODER GEFLÜGEL ?«, fragte die Bordhostess in kantigem Englisch.
    »Geflügel.«
    Sie trug am Revers ein Namensschild, M. Sigurdóttir. Vor Jensens Augen entstand das Bild einer Felsküste, gegen die das Meer wütete, denn es war ein wildes Meer, die Küste war ihm im Weg, es wollte sie wegfegen. Ein salziger Wind trug die Gischt der Brandung zu einer moosbewachsenen Hütte, in der Sigur auf einem mit getrocknetem Gras gefüllten Leinensack seine sieben Töchter zeugte.
    Jensen blickte aus dem Fenster. Er hatte keine Ahnung, wie das Meer hieß, dessen Wellen sich tief unten wie in Zeitlupe bewegten. Am Horizont stieg bereits die Dämmerung hoch, sie flogen einer frühen und langen Nacht entgegen.
    »Wann geht denn in Island jetzt im Winter die Sonne auf?«, fragte er Sigurdóttir, als sie ihm die Plastikschale mit dem Geflügel reichte.
    »Um halb zwölf«, sagte sie lächelnd.
    »Und wann geht sie wieder unter?«
    »Um halb vier ungefähr. Aber das wird jetzt von Tag zu Tag besser.«
    Jensen fragte sich, wie er reagiert hätte, wenn auf ihrem Namensschild nicht M. Sigurdóttir gestanden hätte, sondern V. Lachaert. Vor Jahren hatte Jensen es beruflich mit einem Mann zu tun bekommen, der auf dem Marktplatz in Brügge eine Zeit lang Angst und Schrecken verbreitet hatte. Er hatte wahllos Leute, die an ihm vorbeigingen, am Arm festgehalten und ihnen mit Tränen in den Augen erklärt, sie hätten Magenkrebs, er spüre das, er wisse es einfach, sie müssten unbedingt sofort einen Arzt aufsuchen. Viele seiner Opfer hatten empört die Polizei angerufen und sich über den Spinner beklagt, der auf dem Marktplatz dummes Zeug erzähle. Aber als Jensen daraufhin die Zeugen befragte, gaben die meisten von ihnen zu, dass sie sicherheitshalber ihren Hausarzt konsultiert hatten, einige unterzogen sich später sogar einer Magenspiegelung. Van Heerden hatte der Mann geheißen, aber im Gegensatz zu Pierre Lulambo war er ein registrierter Freigänger des Onze-lieve-Vrouw gewesen, der Psychiatrischen Klinik von Brügge.
    Jensen hatte gestern Abend noch Doktor Lambert angerufen, den er, wiederum beruflich, seit vielen Jahren kannte. Lambert war der Direktor des Onze-lieve-Vrouw. Er machte sich nicht nur die Mühe, in seinen eigenen Akten nachzusehen, in denen kein Pierre Lulambo verzeichnet war, sondern er durchforstete auch die Patientenlisten der Antwerper Kliniken. Lulambo hatte ja behauptet, er lebe in Antwerpen. Jedenfalls war er auch dort nie psychiatrisch behandelt worden. Das musste nichts bedeuten: Vielleicht war ja gestern der Tag gewesen, an dem er zum ersten Mal auffällig geworden war. In ein paar Wochen, sobald er zu viele Passanten vor seiner Vera Lachaert gewarnt hatte, würden sich ihm bestimmt die Tore einer Klinik öffnen.

    Um drei Uhr nachmittags, bei Sonnenuntergang, landete Jensen in Reykjavík. Mit seinen zwei Wollpullovern war er zu warm angezogen, er schwitzte, als er vor dem Flughafen im letzten Tageslicht seinen Rollkoffer zum Taxistand zog. Die Luft roch fremdartig, schweflig, dann wieder salzig, je nachdem, aus welcher Richtung der Wind sie herantrug.
    Auf der Fahrt ins Hotel fragte Jensen den Taxifahrer, ob es im Winter hier immer so warm sei.
    »Das ist der Golfstrom«, sagte der Fahrer in akzentfreiem Englisch. »Er kommt aus Mexiko. Er ist unsere Heizung. Und es kostet uns keinen Cent.« Der Fahrer lachte. »Wenn wir für den Golfstrom bezahlen müssten, gäbe es hier nur Gletscher. Wir Isländer schauen aufs Geld.«
    »Kennen Sie den Langjökull?«, fragte Jensen.
    Der Fahrer drehte sich kurz zu ihm um.
    »Da haben Sie aber den Richtigen erwischt. Ich komme nämlich aus Húsafell. Die Künstlerkolonie. Haben Sie davon gehört? Kjarval, der Maler?«
    »Nein. Ich bin zum ersten Mal in Island.«
    »Jóhannes Sveinsson Kjarval. Na ja, das war früher. Aber den Wald haben wir noch.« Wieder lachte der Fahrer. »Vier Meter

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