Der Assistent der Sterne
versonnen.
»Ihre Freundin wird vermisst, und Sie finden das wunderbar?«
»Nein. Ich finde es wunderbar, dass sie tot ist.« Er spielte mit der Taschenlampe, zeichnete Lichtkreise in die Luft.
»Sie sind bisher der Einzige, der weiß, dass sie tot ist. Finden Sie das nicht merkwürdig?«
»Wird man zum Verdächtigen, indem man die richtigen Schlüsse zieht? Ihr Kollege ist übrigens auch der Meinung, dass sie nicht mehr lebt. Er hat es nicht direkt erwähnt, aber er ist ja nicht dumm. Im Gegensatz zu anderen.« De Reuse zwinkerte Jensen zu. »überlegen Sie doch. Sie lässt ihre Handtasche im Wagen liegen. Die Brieftasche, die Kreditkarten, das Geld, alles ist noch da. Ein Entführer hätte das wohl kaum verschmäht. Und dann das Blut. Sie hat sich gewehrt. Sie trägt immer ein sardisches Hirtenmesser bei sich, wussten Sie das nicht? Ein sehr schönes Messer, mit einer Klinge aus Damaszenerstahl. Das Messer wurde aber nicht gefunden.«
Der Zettel, dachte Jensen. Warum erwähnt er ihn nicht?
»Das war keine Entführung, Jensen. Bei Ilunga gab es nichts zu holen, sie war für einen Kidnapper uninteressant. Es war ein Anschlag auf ihr Leben. Sie hat sich gewehrt, das hat ihn nur noch wütender gemacht. Er hat ihr das Messer entrissen, hat sie aus dem Wagen gezerrt, niedergeschlagen und dann in einen Lieferwagen gepackt. Erist mit ihr ans Meer gefahren, nach Heist vielleicht, oder Knokke, und noch in derselben Nacht hat er ihr die Hände um den Hals gelegt und zugedrückt. Er hat ihren panischen Puls in seinen Händen gespürt, hat ihr Röcheln genossen und zugesehen, wie ihre Augen zu schönen, dunkelbraunen Glaskugeln wurden. Dann hat er die Leiche auf einen Steg geschleift. Er hat sie mit einem Amboss beschwert und ins Meer geworfen. Und in spätestens zwei Wochen, wenn er die Zeitung liest, wird er sich an den Kopf greifen. Du Dummkopf! Leichengase! Wie konnte er das nur vergessen!«
De Reuse schwieg.
»War das Ihr Geständnis?«, fragte Jensen.
»Nein. Das war Ihres.« De Reuse lachte, er schlug Jensen aufs Knie. »Ich bin guter Laune«, sagte er. »Wirklich. Wenn Sie das mit Island vergleichen! Ich glaube, ich war sehr mürrisch, herrisch. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei Ihnen dafür entschuldigen. Aber damals habe ich noch hier unten gelebt, verstehen Sie? Und jetzt sitze ich hier als Besucher. Und ich bin wirklich glücklich, überaus glücklich darüber, dass die Dinge sich in einer für mich so günstigen Weise entwickelt haben. Ihr Kollege, Inspecteur Verstreken, ist darüber allerdings betrübt. Er hat sich in die Überzeugung hineingesteigert, dass ich Ilunga getötet habe. Wenn da nur nicht diese vermaledeite Überwachungskamera wäre! Aber das muss ich Ihnen näher erklären. Das Haus, in dem ich wohne, war ein beliebtes Ziel für Einbrecher. Bis zu meiner Attika-Wohnung sind sie aber nie vorgedrungen. Als die anderen Wohnungsbesitzer den Einbau einer Überwachungsanlage verlangten, habe ich als Einziger dagegen votiert. Und jetzt stellen Sie sich Ihren Kollegen vor. Er fragt mich nach meinem Alibi. Ich gehe mit ihm runter zum Portier, und Ihr Kollege sieht sichauf dem Monitor die Aufzeichnungen der Videokameras an. Man sieht, wie ich gestern Abend um halb zehn nach Hause komme. Um als Täter in Frage zu kommen, hätte ich die Wohnung später noch einmal verlassen müssen. Denn um elf Uhr hat Ilunga mit einer Freundin telefoniert, folglich klopfte ihr Herz noch. Als es aufhörte zu schlagen, lag ich in meinem Bett und träumte von nackten Studentinnen. Auf den Videos tauchte ich ab halb zehn Uhr nicht mehr auf. Ihr Kollege wurde knurrig deswegen, wie ein schlecht erzogener Jagdhund, der die Ente nicht hergeben will. Er insinuierte, ich hätte mich von meiner Dachterrasse abgeseilt, worauf Herr Vogels, der Portier, in mein Gelächter einstimmte. Denn selbstverständlich befindet sich auch auf dem Dach eine Kamera. Und tote Winkel hätten die anderen Wohnungseigentümer nicht geduldet, nicht für achtzehntausend Euro, so viel hat der Spaß gekostet. Finden Sie das nicht auch köstlich? Dass ich jetzt hier neben Ihnen sitze und nicht in Untersuchungshaft, verdanke ich Kriminellen. Darin liegt eine gewisse Ironie, finden Sie nicht auch? Ihr Kollege zog sich nun auf die Position zurück, dass ich den Mord nicht selbst ausgeführt, sondern in Auftrag gegeben habe. Und damit hat er in gewisser Weise recht.«
De Reuse knipste die Taschenlampe aus. In der Dunkelheit tanzten schemenhafte
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