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Der Atem der Angst (German Edition)

Der Atem der Angst (German Edition)

Titel: Der Atem der Angst (German Edition)
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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reichte er ihr die Hand, um sie daran nach oben zu ziehen. » Und wonach suchen wir jetzt? Solltest du eine konkrete Idee haben, wäre es schön, wenn du sie mir mitteilen würdest. Du bist hier nämlich nicht der einzige Profi.«

8 . MICHELLE
    Michelle stand in ihrem Zimmer am Fenster und kaute einen lackierten Fingernagel nach dem anderen ab. Die hatten in ihrer Vollkommenheit überhaupt keine Bedeutung mehr. Wo war Leonie? Die quälende Ungewissheit war kaum auszuhalten. Immer und immer wieder spielte Michelle in Gedanken alle Möglichkeiten durch, wo ihre kleine Schwester sein konnte, und kam trotzdem auf keine neue Idee. Sie hatten doch schon überall nach ihr gesucht! Wenn sie an keinem der Orte war, die ihnen bisher eingefallen waren, musste sie an einem Ort sein, auf den keiner kam. Fand sie nur nicht mehr nach Hause? Oder hatte jemand sie entführt? So wie vor sieben Jahren die kleine Schwester von Louis?
    Mehr denn je hätte Michelle ihren Freund jetzt an ihrer Seite gebraucht. Damit er ihre Hand hielt. Sie mit seiner sanften Stimme beruhigte, ihr versicherte, dass alles gut war. Sie wusste, sie müsste ihn nur anrufen, und er würde da sein. Aber sie wollte bei ihm keine alten Wunden aufreißen. Seit sie zusammen waren, hatten sie nie über das Verschwinden seiner Schwester gesprochen. Das Thema war zwischen ihnen absolut tabu gewesen. Ein einziges Mal hatte Michelle zaghaft versucht, Louis darauf anzusprechen. Im nächsten Augenblick war er schon auf sein Rad gesprungen und hatte sie in der Fußgängerzone stehen lassen. Sie hatte noch hinter ihm hergerufen. Aber er hatte nicht mehr reagiert. Als hätte sie sonst was verbrochen.
    Unten im Flur klingelte das Handy ihrer Mutter. Michelle zuckte zusammen. Ihre Eltern waren noch mal mit dem Wagen los, um alle möglichen Wege abzufahren. Sie wollten nicht tatenlos herumsitzen, bis die Polizei mit Neuigkeiten ankam. Offenbar hatte ihre Mutter in der Aufregung das Telefon liegen lassen. Es klingelte immer dringlicher. Michelle sollte zu Hause die Stellung halten. Falls Leonie an der Tür klingelte. Oder aber die Polizei. Michelles Herz wummerte. Wer war das da unten am Telefon?
    Sie riss ihren Blick von der schwarzen, im dunstigen Schneenebel daliegenden Kirche und starrte auf ihr mit Glitzersteinen beklebtes Handy, das auf ihrer Bettdecke lag und nun ebenfalls aufgeregt blinkte und surrte. Mit ein paar Schritten war sie drüben und griff danach. » Lou, ich ruf dich gleich zurück.«
    » Nein! Ich will jetzt mit dir reden. Deine Eltern waren gerade hier in der Billard…«
    » Lou, bitte! Ich ruf dich gleich zurück.«
    » Nein, ich ruf dich gleich zurück! In einer Minute!«
    » Okay.«
    » Geh aber dieses Mal ran!«
    » Versprochen!«
    Michelle warf das Handy zurück aufs Bett und stürzte die Treppe hinunter. Das Klingeln wurde immer wütender. Auf dem Display leuchtete » unbekannter Anrufer«.
    » Hallo?«
    Michelle presste sich das Handy ans Ohr. Am anderen Ende der Leitung war eine gruselig verzerrte Stimme zu hören, die nicht mehr wie die eines Menschen klang. » Mit wem spreche ich?«
    » Mit Michelle.«
    Röchelnd atmete es in ihr Ohr.
    » Michelle?« Es entstand eine kurze Pause, bis die Stimme weitersprach. »Auch gut. Dann trifft es eben dich. Hör zu, was ich dir zu sagen habe.«
    Michelle hörte genau hin, was die merkwürdig verzerrte Stimme am anderen Ende der Leitung von sich gab. Unmissverständlich erteilte sie ihren grausigen Befehl, dem Michelle in genau vierundzwanzig Stunden Folge zu leisten hatte, sollte ihr etwas daran liegen, dass ihre kleine Schwester am Leben blieb. Die Botschaft war klar: Leonie würde nur wieder nach Hause zu Mama und Papa kommen, wenn Michelle bereit war, etwas ganz Besonderes dafür zu tun.
    » Hast du mich verstanden?«
    » Ich weiß nicht.« In Michelles Kopf rauschte es. Sie war kurz davor, die Besinnung zu verlieren.
    » Was soll das heißen: Du weißt nicht? Die Sache ist ganz einfach. Du opferst dich, deine Schwester kommt frei. Was ist daran kompliziert?«
    Michelle schluckte. Tränen schossen ihr in die Augen. » Okay.«
    Die Stimme fuhr fort: » Die Hoffnung, deine kleine Schwester vorher noch zu finden, solltest du besser gleich aufgeben. Suche nicht nach ihr, das bringt gar nichts. Niemand wird sie finden. Dafür ist sie zu gut versteckt. Und solltest du jemandem von diesem Anruf erzählen, dann ist deine Schwester sofort tot. Hast du mich verstanden?«
    » Ja.«
    » Was? Sprich lauter!«
    » Ja,
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