Der Atem der Angst (German Edition)
Brettern » stabilisiert« hatte, und wieder zurück zu ihrem Sohn, der sich gerade ein Sweatshirt über den Kopf zog und schimpfte. » Warum glaubt mir das denn keiner?«
Bevor Bella überhaupt antworten konnte, hatte sich Louis an ihr vorbei in den Flur gedrängt. Mit drei Sätzen war er die Treppe runtergesprungen und blieb vor den aufgelösten Eltern seiner Freundin stehen. Das Ganze kam ihm vor wie ein Déjà-vu. Die beiden sahen exakt so aus wie vor zwei Tagen, als sie auf der Suche nach Leonie in die Billardkneipe gekommen waren. Mit offenen Winterjacken, verstörten Gesichtern und strubbligem Haar standen sie vor ihm.
Sarahs Stimme klang hart, als sie fragte: » Ist Michelle hier?«
Louis hob kurz die Hand zum Gruß, bemüht, cool zu bleiben. » Nein. Habe ich alles auch schon der Polizei gesagt.«
Jens nickte aufgebracht. » Schon klar, junger Freund! Denen kannst du alles erzählen. Aber ich durchschaue dich. Alles klar?! Du hast dich nicht im Griff. Genau wie deine Mutter.«
Louis stopfte seine Hände in die Hosentaschen und zog die Schultern hoch. Plötzlich war ihm einfach nur unglaublich kalt. » Okay, Botschaft ist angekommen.« Er war bemüht, nicht allzu unterkühlt rüberzukommen, während er sich innerlich gegen den nächsten üblen Angriff wappnete. Er fand, dass es langsam reichte. Irgendwie schienen diese Eltern nicht zu schnallen, dass auch er vor Sorge krank war. Ihre Tochter war immerhin seine Freundin. Warum behandelten sie ihn und seine Mutter wie den letzten Dreck? Eigentlich standen sie doch auf derselben Seite.
Jens fuhr sich mit der Pranke durchs massige Gesicht. » Okay, Bürschchen. Du hast also keine Ahnung, wo sie sein könnte?«
» Nein. Und die Polizei war, wie gesagt, auch schon hier.«
Sarah blickte Louis flehend an. » Bitte. Hat sie dir irgendwas gesagt? Wo sie hinwill? Ihr Handy ist aus. Vermutlich weiß sie noch gar nicht, dass Leonie wieder aufgetaucht und in Sicherheit ist.«
Louis riss die Augen auf. » Heißt das: Leonie lebt?« War das ein Trick? Wollten sie ihn testen? Oder hatte er sich gestern Abend, als er oben im Wald das Geschehen beobachtet hatte, geirrt? Konnte das sein?
Von hinten drängte sich seine Mutter heran, als sei sie endlich aus ihrem jahrelangen Tiefschlaf erwacht. » Oh! Sarah! Jens! Das ist ja toll! Eure Kleine lebt!«
Bella umarmte erst Sarah, dann Jens. Sie schniefte und knuffte dann Louis am Oberarm. » Hast du das gehört, Schatz? Sie lebt! So viel Glück hatte unsere kleine Isabel nicht.«
Nachdem seine Mutter den Namens ihres toten Kindes genannt hatte, blickte Sarah beschämt zu Boden, und auch Jens ließ seine Stimme etwas freundlicher klingen, als er noch einmal fragte: » Du hast keinen Schimmer, wo sie sein könnte?«
Louis schüttelte den Kopf. » Nichts. Ich habe sie gestern Morgen zum letzten Mal gesprochen, am Telefon. Dann wart ihr die Letzten, die sie gesehen haben.«
Jens stand nun komplett neben sich. Er stützte sich an Louis’ Rennrad ab, das an der Flurwand lehnte, als bräuchte er unheimlich viel Kraft, um seinen massigen Körper überhaupt noch auf den Beinen zu balancieren. Für einen Augenblick dachte Louis, er würde umkippen. Sarah sah hilfesuchend zu Bella, als könnte die etwas wissen, was sonst keiner wusste.
Bella lächelte schief. Offenbar war sie dabei, sich schon wieder in ihre Welt zurückzuziehen. Sie stand auf der untersten Stufe der Treppe und sagte: » Mein Sohn weiß bestimmt nichts. Er war die ganze Zeit oben auf dem Dach. Um es zu reparieren. Es regnet rein. Und wenn Michelle hier reingeschneit wäre, hätte ich es zu hundert Prozent gemerkt. Ich sitze ja hier unten im Wohnzimmer und kriege alles mit.«
Jens rappelte sich noch einmal auf und zog sich den Gürtel hoch. » Gut, na dann…« Obwohl er ab da nur noch flüsterte, klang das, was er sagte, ziemlich bedrohlich. » Hör gut zu.« Er kam näher an Louis heran. Doch anstatt ihn anzusehen, fixierte er Bella, die sich auf die unterste Treppenstufe zurückgezogen hatte. » Ich habe euch Assis im Auge! Beim geringsten Verdacht werde ich euch töten.«
Louis machte instinktiv einen Schritt zurück. Seine Mutter legte ihm ihre schlaffen Hände auf die Schultern, als wolle sie ihn beschützen. » Was soll denn das? Jens! Hör auf, meinem Sohn zu drohen!«
Jens lachte laut auf. » Ich drohe nicht nur deinem Sohn! Ich drohe euch beiden!«
Bella kam nun auch noch die letzte Stufe herunter und legte freundlich den Arm um Sarahs Schulter. »
Weitere Kostenlose Bücher