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Der Atem der Angst (German Edition)

Der Atem der Angst (German Edition)

Titel: Der Atem der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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hereinzulassen, oder weglaufen?
    » Zieh ihn zur Seite, Dummkopf. Du willst doch wissen, was los ist!«
    Mit ein paar Schritten war Louis beim Vorhang. Er riss ihn zur Seite. Nur, um es endlich hinter sich zu haben. Um zu wissen, was hier los war. Denn hier war etwas los. Das glühende Herbstlicht schoss durchs Fenster und füllte mit einem Mal den gesamten Raum aus. Der cremefarbene Teppich war frisch gesaugt. Auf dem Nachtschränkchen stand eine kleine Glasvase mit drei hellrosa Rosen.
    » Mama?«
    Er sah ihre nackten Füße, ihre nackten Unterschenkel hinter dem Bett hervorlugen. » Mama?«
    Louis kam näher heran. Da lag seine Mutter. Auf dem Boden. In ihrem zartesten Nachthemd, das sie früher, wenn sie sich mit ihrem Mann schlafen gelegt hatte, angezogen hatte. Es war aus feinster weißer Seide mit Spitzenbesatz. Sie hatte so jugendlich und verführerisch darin ausgesehen. Wie ein Filmstar oder so.
    Sie lag auf dem Rücken, die Hände auf der Brust gefaltet. Ihre Augen waren geschlossen. Das dunkelblonde lange Haar lag frisch gewaschen und in weichen Wellen wie ein Heiligenschein um ihren Kopf herum. Und in ihrem Bauch steckte ein Messer.
    Louis starrte auf seine tote Mutter hinunter. Da war kaum Blut. Nur ein Messer. Er sah ganz genau hin, um zu begreifen, was das bedeutete. Es bedeutete, sie war tot. Ihr Brustkorb hob und senkte sich nicht. Kein Zweifel. Da war kein Leben mehr in ihr. Inzwischen wusste Louis, wie tote Menschen aussahen. Doch sein Herz war ganz ruhig. Für einen Augenblick breitete sich zarter Frieden in ihm aus. Er atmete die Luft ihres Schlafzimmers ein, seit Jahren war die Luft zum ersten Mal wieder klar und duftend. Er sog ihr liebliches Parfüm ein. Ihren geliebten Muttergeruch. Die Sonne fiel zärtlich über Bellas Füße. Auf ihrem Gesicht lag ein zufriedenes Lächeln. Ja. Der Friede war in dieses Haus zurückgekehrt.
    » Mama.«
    Er sagte es zum letzten Mal in seinem Leben.
    » Mama. Ich hab dich lieb.«
    Dann ging Louis zur Zimmertür und zog sie für immer hinter sich zu.

46 . NIEMAND / WINNIE
    » Wollen wir los?« Wie am Abend zuvor saß er am Steuer, der kleine Junge hinter ihm auf der Rückbank. In einer weinroten Daunenjacke und Jeans. An den Füßen hatte er diese klobigen Basketballsneaker, die heutzutage alle Kids trugen.
    Der Junge zuckte mit den Schultern. » Okay.«
    Den Vormittag über hatten sie zusammen Cartoons im Fernsehen angeguckt und sich Müsli in der Mikrowelle warm gemacht. Inzwischen war Mittag und die Sonne legte sich goldorange über die Straße und den Hang zum Schlossberg hinauf. Bestes Wetter, um einen kleinen Ausflug zu machen. Im Rückspiegel sah er, dass Winnie ein paar Sommersprossen auf der Nase hatte. Die Frontzähne waren größer als die restlichen Milchzähne.
    Winnie schien etwas beunruhigt. » Wir müssen aber spätestens um drei wieder da sein, weil dann meine Mutter kommt, und die macht sich sonst Sorgen.«
    » Geht klar!« Er fuhr raus auf die Straße, Richtung Unterführung, an ein paar Schulkindern vorbei, die mit ihren Ranzen in Grüppchen nach Hause liefen. » Und? Wirst du mit deiner Mutter deine kleine Freundin im Krankenhaus besuchen gehen?«
    Winnie rutschte auf dem Sitz nach vorne, sodass er zwischen den beiden Vordersitzen klemmte. » Vielleicht in ein paar Tagen. Wenn sie wieder reden kann. Jetzt liegt sie ja noch im künstlichen Koma.«
    Mit den behandschuhten Händen umklammerte er das Lenkrad. » War deine Mutter schon bei ihr?«
    » Ja, aber vernehmen konnte sie Leonie nicht. Bei Kindern muss man das auch sehr geschickt machen, dass sie es am besten gar nicht merken. Man lässt sie am besten Bilder malen oder so.«
    Er nickte. » Verstehe.« Diese Frau war unmöglich. Wie konnte sie ihren leichtgläubigen Sohn alleine zu Hause lassen? Hatte sie kein bisschen Verantwortungsgefühl? Hatte sie keine Angst, dass jemand kam und ihn mitnahm? So wie er es gerade tat. Es war erstaunlich einfach, Kinder für sich zu gewinnen. Sogar die von Kriminalkommissarinnen. Man klingelte an der Tür, plauderte ein bisschen mit ihnen, schenkte ihnen Schokoriegel, guckte mit ihnen Cartoons, und schon glaubten sie in all ihrer Unschuld, dass man ein Freund war. Und wenn man es ganz geschickt anstellte, versprach man ihnen noch ein süßes, kleines Kaninchen.
    Er blickte in den Rückspiegel. » Und? Hast du dir schon einen Namen für deinen neuen Freund überlegt?«
    » Fiffi.«
    » Warum Fiffi?«
    Winnie sah aus dem Seitenfenster, als sie an der

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