Der Atem der Welt
Schatten über ihr Gesicht wandern. Ich sah, dass die fernöstlichen Lampen alle gereinigt waren und in zwei geraden Reihen auf der Theke standen, ohne dass ich mich erinnern konnte, sie dort hingestellt zu haben. Die Kiste stand neben der Theke hinter einem großen Korb mit wunderlichsten Muscheln, die nur aus Stacheln und Spiralkringeln und glatten Perlmuttöffnungen bestanden. Mir schien, die Lampe war fast heruntergebrannt. Wodurch die dunklen Ecken noch dunkler wurden, noch schwärzer und undurch
dringlicher, irgendwie pelzig, und die Muscheln schienen sich so sanft zu winden, dass es in der Ader in meinem linken Ellbogen leicht zu pochen begann. Ich stand auf und blickte töricht zu dem Windlicht. Da hatten wir Lampen aus der ganzen Welt, aber es gab nicht eine, die ich hätte zum Leuchten bringen können.
Wo war er? Er würde mich doch sicherlich nicht die ganze Nacht hier allein lassen? Ich fragte mich, ob ich wohl meine Arbeit bei Spoony verlieren würde. Sicherlich hätte ich schon seit Ewigkeiten dort sein müssen. Mir gefiel es bei Spoony. Ich sei der beste Schankjunge, den sie seit langem hätten, fand Bob Barry. Sie waren gut zu mir dort. Besser als hier, dachte ich. Er hat das mit Absicht getan, ist abgehauen und hat mich eingeschlossen, um mir Angst zu machen. Wieso war es so still auf der Straße?
In meinem Hals wuchs ein Kloß.
Ich weiß nicht, wieso ich nicht umgehend aufgestanden bin und, so laut ich konnte, gegen die Eingangstür getrommelt und aus voller Lunge durch den Briefschlitz geschrien habe, jemand möge mich herauslassen. Aber ich schien mich nicht bewegen zu können. Mein Mund war trocken, und als ich mir die Lippen befeuchten wollte, war meine Zunge dick und klebrig. Ich dachte, ob ich vielleicht krank würde. Es war ziemlich kalt. Irgendwo weiter hinten im Laden, in einem der vollgestopften Räume oder einem der engen Flure, flatterte etwas. In meinem Hals kitzelte eine Feder. Eine dichte Mauer aus Dunkelheit verbarg die offene Tür, die in den ersten schmalen Flur führte, von dem das Musikinstrumentenzimmer abging. Ich blickte in diese Dunkelheit, und das Flattern kam wieder.
Natürlich. Die Vögel. Ich sehnte mich nach Gesellschaft. Ich fand, es wäre nett, zumindest diese fröhlichen weißen Vögel im hinteren Raum um mich zu haben. Selbst die glubschäugigen Fische wären besser als gar nichts. Bestimmt würde Tim bald hier
sein. Ich nahm sehr vorsichtig das Windlicht und näherte mich Schritt für Schritt der Dunkelheit, die anmutig vor mir zurückwich. Fremdartig und wunderschön tauchte ein Drachengesicht auf, eine Sekunde lang schimmerte ein goldener Hals. Ich bog rechts um die Ecke und hatte das Gefühl, hinter meinem Rücken öffne sich links ein gähnendes Maul. Da hinten waren die hohen Ali-Baba-Krüge, die Gefäße aus Ninive, die grimmig geschwungenen Säbel und das zarte Porzellan mit so winzigen goldenen Henkeln, dass eigentlich nur eine Fee solch eine Tasse anfassen konnte. Vor mir waren Dämonen und Götzen, geschnitzte Gottheiten und heilige Gongs, Bambusflöten, vergiftete Dolche. Das Licht meiner Lampe fiel auf die gewaltigen Hörner eines Bocks. Am Ende hinten links herum, und ich würde bei den guten alten Vögeln landen, aber ich musste achtgeben, dass ich, wenn ich um die Ecke bog, nicht nach rechts schaute, wo, wie ich wusste, die Rüstungen auf mich warteten, hinter deren Visieren sich Gott weiß was verbarg.
Direkt vor der Biegung sah ich ein Schiff. Mein hoch gehaltenes Windlicht beschien ein Gemälde mit einem merkwürdigen Fahrzeug, dessen beide Enden weit aus den Wellen ragten, ein hochschultriges, türmchenbestücktes schwimmendes Schloss, ein Ding, das man im Traum besteigen würde, um damit ans Ende der Welt zu segeln.
Das Licht erlosch.
Ich geriet noch nicht in Panik. Ich stand da, hielt mein dunkles Windlicht in eine Leere, die so voll war, dass sie überall an mir leckte, wie ein Kätzchen, das sich wäscht. Vielleicht eine Minute lang ließ ich das zu. Dann aber kam die Panik. Ich drehte mich um und rannte. Alle Teufel der Hölle verfolgten mich, griffen nach meinem Rücken. Ich krachte gegen eine Wand, machte kehrt, rannte wieder, blieb stehen, hielt mich an der Wand fest und keuchte. Mein angstvoller Atem war sehr laut. Die Wand an meinen Händen blieb stabil.
Ich würde mich wie ein blinder Junge hinaustasten.
Ich wartete, bis mein Atem ruhiger wurde, und ging los, tastete mich mit Sterbensangst Schritt für Schritt zurück, bis ich
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