Der Atem des Jägers
ist in |358| den USA sehr beliebt, und der Preis auf der Straße ist deutlich höher als für jede andere Form von Gras. In Guajira bezeichnen
sie
Santa Marta Gold
als
La Rubia
. Miguel hat angefangen, dieses Zeug zu schmuggeln, daher stammt sein Spitzname.«
Lombardi zog eine Karte aus dem Umschlag und entfaltete sie auf dem Schreibtisch.
»Das ist Kolumbien, und in diesem Bereich, an der Karibikküste, liegt Guajira. Wie Sie sehen können, macht die Gegend, was
an fruchtbarem Boden fehlt, an Lage wieder wett. Beachten Sie nur die Länge der Küste. Wenn man Marihuana in die USA schmuggeln
will, schickt man entweder ein Boot an die Küste Guajiras oder ein Lastflugzeug. Miguel war mit den Bauern vertraut, die in
den Bergen arbeiteten, und die Küstenlinie kannte er blind. Also wurde er
marimbero
: Marihuana-Schmuggler. Die Kolumbianer nennen es
marimba
. Er verdiente sich in den Siebzigern dumm und dämlich. Aber dann, Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger, lief Kokain dem
Marihuana international den Rang ab. Die Drogenmacht, das Geld, aber auch die Kontrollen wanderten nach Zentral-Kolumbien.
Zu Leuten wie Pablo Escobar und dem Medellín-Kartell. Carlos Lehder, die Ochoa-Brüder, José Rodriguez-Gacha … Miguel konnte
Kokain nicht leiden, und er hatte auch keine guten Kontakte dafür, also blieb er bei
Marimba
, verdiente gutes Geld, wurde aber nie so atemberaubend reich und mächtig wie Escobar oder Lehder. Langfristig war das für
ihn aber ein Vorteil. Denn als wir anfingen, die großen Drogenkartelle zu verfolgen, ging Miguel einfach im stillen weiter
seinen Geschäften nach. Und in den Neunzigern füllte seine Familie das Vakuum aus, das nach der Verhaftung der großen Dealer
entstand.«
Ein weiteres Foto aus dem braunen Umschlag.
»Das ist Miguel Sangrenegras ältester Sohn, Javier. Er ist klein und stämmig, wie seine Mutter. Und er hat auch den Ehrgeiz
und Verstand der alten Dame. Er war derjenige, der seinen Vater dazu brachte, auch Kokain ins Angebot aufzunehmen. |359| Miguel wollte nicht, also entmachtete Javier den alten Mann. Nicht gleich, aber langsam und still schob er ihn auf eine Art
und Weise ab, bei der alle ihr Gesicht wahren konnten. Jetzt kommen wir zu Carlos.« Ein weiteres Foto, diesmal des jüngsten
Sohnes. Eine körnige Schwarzweißaufnahme. Auf einer sonnigen Straße in einer südamerikanischen Stadt stieg ein jüngerer Carlos
aus einem Landrover Discovery.
Griessel schaute auf die Uhr. Er mußte noch packen. Er fragte sich, wohin diese Geschichte führte.
»Carlos war das Nesthäkchen. Der dümmste der Brüder, ein kleiner Playboy, der vor allem junge Mädchen mochte. Es gelang ihm,
ein vierzehn Jahre altes Mädchen aus der Nachbarstadt Barranquilla zu schwängern, und Javier schickte ihn nach Kapstadt, um
Problemen vorzubeugen. Er brauchte hier ohnehin jemand, dem er vertrauen konnte. Um den Drogentransfer zu überwachen. Denn
2001 begann das Guajira-Kartell, wie es mittlerweile heißt, international zu agieren. Und sie hatten inzwischen auch alle
Drogen im Angebot.
Carlos ging es gut hier. Er machte keinen Ärger, kümmerte sich mit Hilfe eines Teams, das Javier loyal ergeben ist, einigermaßen
um das Geschäft – die vier Männer, die Sie in Gewahrsam haben. Doch dann verwickelte er sich in diesen Mist mit der Tochter
der Prostituierten. Und nun ist, wie Sie wissen, Carlos tot.
Auftritt César Sangrenegra.
El Muerte
. Der Tod, so nennen sie ihn. Wenn Javier das Hirn des Kartells ist, ist César der starke Arm. Er ist ein Mörder. Es heißt,
er hätte in den letzten zehn Jahren über dreihundert Menschen getötet. Und wir reden nicht darüber, daß er Killer auf Konkurrenten
ansetzt. Wir reden darüber, daß er persönlich das Messer schwingt.«
Die letzten Fotos aus dem Umschlag. Lombardi breitete sie auf dem Tisch aus. Männer, denen ihre abgeschnittenen Genitalien
in den Mund gestopft worden waren. Leichen von Frauen, denen man die Brüste abgeschnitten hatte.
»Und das hier ist ein ›Krawattenmord‹. Sie können sehen, |360| wie er die Zunge durch den Schnitt im Hals rauszieht.
El Muerte
ist ein krankes Schwein. Er ist groß und kräftig und ausgesprochen fit. Vollkommen gnadenlos. Es heißt, er sei vollkommen
irre. Wenn man in Guajira seinen Namen flüstert, zittern die Menschen.«
»Und was will er in Kapstadt?« fragte Matt Joubert.
»Deswegen sind wir hier«, sagte Boef Beukes.
»Sehen Sie, in Guajira gibt es
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