Der Atem des Jägers
den Türriegel mit einem Lappen abgerieben. Dann erinnerte sich Griessel,
daß er etwas hinten aus dem Wagen geholt hatte, und der Spurensicherer versprühte sein Spray und wedelte mit seinem Pinsel
und sagte: »Hier haben wir etwas.«
Griessel schaute es sich an. An der Außenseite der hinteren Tür war ein Fingerabdruck deutlich auf der weißen Farbe zu sehen.
»Es muß nicht unbedingt seiner sein«, sagte der Spurensicherer.
Griessel sagte nichts.
Er saß am Frühstückstresen in seiner Wohnung und aß etwas von dem Lammbraten von Charmaine Watson-Smith’s. Aber er dachte
an die Flasche
Klipdrift
im Oberschrank.
Warum nicht? Ihm fiel keine einzige vernünftige Antwort auf diese Frage ein.
Er hatte keinen Appetit, aber er aß, weil er wußte, daß er mußte.
Letzte Nacht hatte er große Theorien entwickelt, warum er soff. Griessel der Philosoph. Es war
dies
, und es war
das
, alles – bloß nicht die Wahrheit. Die Wahrheit war: Er war eine Niete. Das war alles. Eine Huren fickende, Frauen schlagende,
besoffene, beschissene Niete.
Wo war der freundliche Kerl, der Baß gespielt hatte? Das hatte er sich gestern nacht gefragt, und jetzt wußte er es. Der Typ
war auch schon eine Niete gewesen, er hatte es bloß noch nicht geahnt. Man kann manche Leute eine ganze Weile an der Nase
herumführen … Aber man kann nicht das Leben an der Nase herumführen. Das Leben kriegt einen irgendwann am Arsch.
Er stand auf. War unendlich müde. Er kratzte die Essensreste in den Mülleimer, spülte und trocknete den Teller ab. Er hatte
keine Lust, ihn jetzt zu der alten Dame hinüberzubringen. Er würde ihn am nächsten Morgen mit einem Zettel vor ihrer Tür abstellen.
|354| Man kann das Leben nicht an der Nase herumführen.
Sein Handy klingelte in der Tasche.
Sollte das Scheißding doch klingeln.
Er nahm es heraus und schaute auf das Display.
ANNA
.
Was wollte sie? Kannst du die Kinder am Sonntag holen? Bist du nüchtern? Interessierte es sie wirklich, ob er nüchtern war
oder nicht? Wirklich? Sie glaubte doch sowieso nicht, daß er es schaffen würde. Und sie hatte ja recht. Sie kannte ihn besser
als jeder andere. Sie hatte alles gesehen, alles miterlebt. Sie war Kronzeugin. Das Leben hatte ihn am Arsch gepackt, und
sie hatte einen der besten Plätze. Sie wußte, in sechs Monaten würde sie einen Anwalt anrufen und ihm sagen: Lassen Sie uns
dieser Ehe zu meinem alkoholkranken Mann, der immer noch säuft, ein Ende setzen. Die sechs Monate waren bloß dazu da, um den
Kindern zu zeigen, daß sie nicht herzlos war.
Sollte sie doch anrufen. Sollte sie doch zur Hölle fahren.
EIN VERPASSTER ANRUF
.
EIN VERPASSTES LEBEN.
Das Telefon klingelte erneut. Arbeit. Was wollten die?
»Griessel.«
»Wir haben ihn, Benny«, sagte Matt Joubert.
40
Sie hatten sich alle im alten Lehrsaal versammelt, als er hereinkam. Er konnte die Aufregung spüren, sah sie auf ihren Gesichtern,
hörte sie in ihren Stimmen.
Joubert saß neben Helena Louw, die am Computer arbeitete. Bezuidenhout und seine Nachtschicht waren ebenfalls anwesend. Keyter
stand da und redete mit einem Constable; die verfluchte Kamera, die er sich geliehen hatte, hing immer noch um seinen Hals,
das Zoomobjektiv ragte hervor.
Griessel setzte sich an einen der kleinen Tische.
|355| Joubert schaute auf und entdeckte ihn, winkte ihn heran. Er stand auf und ging zu ihm hinüber. »Setz dich zu mir, Benny.«
Er setzte sich. Joubert stand auf. »Darf ich um eure Aufmerksamkeit bitten?«
Es wurde still im Saal.
»Wir haben einen Verdächtigen identifiziert, dank des Fingerabdrucks, den Inspector Griessel und seine Männer am Fahrzeug
der Schwimmbad-Reinigungsfirma gefunden haben. Sein Name lautet Thobela Mpayipheli. Es ist ein Xhosa, Mitte Vierzig aus dem
Eastern Cape. Seine Meldeadresse ist in Cata, eine Farm im Distrikt Cathcart. Das ist im Eastern Cape. Vor kurzem hat Mpayipheli
seinen Sohn bei einem bewaffneten Raubüberfall an einer Tankstelle verloren. Die beiden Verdächtigen wurden verhaftet, sind
aber während des Prozesses aus der Haft geflohen. Es sieht so aus, als hätte da alles begonnen. Er besitzt übrigens einen
Isuzu KB Bakkie, was zu dem Reifenabdruck paßt, den Inspector Griessel gefunden hat, und wir müssen davon ausgehen, daß es
sich dabei um den Wagen handelt, mit dem er nach Kapstadt und Uniondale gefahren ist. Das sind die Informationen, über die
wir derzeit verfügen.«
Griessels Handy klingelte
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